Interview mit Frank Matzke im Bezug auf seine Arbeit zu Turrican.
Der legendäre Grafiker von Apidya und Mega Turrican.
AGF: Wie hast du Turrican zuvor wahrgenommen, insbesondere da du erst ab Teil 3 bzw. Mega Turrican involviert warst? War es für dich etwas Besonderes, ein so bedeutendes Spiel fortzusetzen?
Frank: Absolut. Ich war zwar kein großer Fan des Ur-Turricans, aber Teil 2 hat mich wie potenziell jeden Amiga-Fan damals aus den Socken gehauen. An der Serie mitarbeiten zu dürfen hat mich sehr gefreut. Chris hat die letzten Musiken und Soundeffekte noch bei meinen Eltern im Keller finalisiert. Das war also alles noch recht am Anfang.
AGF: Wie kam die Zusammenarbeit zustande? War Kaiko zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte?
Frank: Nein, das war mittendrin. Aber so ganz genau kann ich mich nicht mehr dran erinnern … Julian hatte meine Apidya-Sachen damals gesehen (bei einem Besuch von Chris im besagtem elterlichen Keller) und wie immer brauchten wir Geld, da kam das Angebot nach Apidya gerade zur passenden Zeit. Chris hat damals auch für andere Teams komponiert, und da habe ich mir das auch alles parallel zugetraut. Aus heutiger Sicht ein bisschen verrückt, aber früher war ich potenziell schneller?! 😀
AGF: Das Team war etwas anders aufgestellt und unterschied sich auch von der Amiga-Version. Thomas Engel war für die Megadrive-Version verantwortlich, während Peter Thierolf die Amiga-Version umsetzte. Wie verlief die Entwicklung? Zuerst die Megadrive-Version, dann die für Amiga? Die Entwicklung verlief sicherlich mehr oder weniger parallel. Wie stark warst du überhaupt an der Amiga-Version beteiligt, oder wurde die Grafik lediglich reduziert? Wie gestaltete sich die technisch-organisatorische Koordination zwischen den beiden Teams?
Frank: Ganz ganz zarte Anfänge gab es auf dem Amiga, aber so richtig wurde MT/T3 erst auf dem Mega Drive entwickelt. Thomas programmierte, Willi half zusätzlich aus und Lutz baute Levels. Die Musik kam wie gewohnt von Chris, der zum ersten Mal auf der Hardware arbeitete. Technisch basiert das MD zwar auch auf einer 68000er-CPU (wie unsere ‚Freundin‘), aber ansonsten sind die Unterschiede zu groß, sodass Peter viel Code für T3 neu schreiben musste. Der Release der MD-Fassung verzögerte sich leider stark, sodass es irgendwann wieder sinnvoll erschien, Rainbow Arts auch eine Amiga-Version anzubieten, die im besten Fall parallel fertig sein konnte. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns dann leider zerstritten und Peter hat Kaiko verlassen und T3 dann einfach als ‚Freier‘ fertig gemacht. Meine Grafiken hat Ramiro Vaca (ein weiterer Rainbow-Arts-Veteran, der mittlerweile nach Chris auch zu uns gestoßen war) dann für den Amiga-Einsatz umgesetzt. Da mussten viele Kompromisse gemacht werden, weil die Grafik einfach nicht von vornherein auf die technischen Limitation des Computers ausgerichtet war. Auf dem MD hat man u.a. massig Sprites und zwei Hintergrundebenen zur Verfügung. Alles Fähigkeiten die man zwar auf dem Amiga reproduzieren kann, aber auf einem OCS-Gerät eben nur mit großen Abstrichen. Immerhin konnte Peter das ‚Zoomen- und Rotieren‘ von Objekten direkt im Game auch auf dem Amiga nachbauen. Trotzdem spielt sich auch T3 sehr gut, finde ich – es ist halt bloß nicht direkt vergleichbar mit dem zweiten Teil und man sieht ihm an, dass es ein Port ist.
AGF: Gab es Vorgaben hinsichtlich Design und Gameplay? Wie viel Freiraum hattet ihr? Wie stark war Julian in die Angelegenheit involviert? Im Allgemeinen unterscheidet sich Mega Turrican ja deutlich von Turrican 2.
Frank: Mega Turrican ist ein Factor-5-Spiel, und dementsprechend war Julian der Boss. Trotzdem war es diesmal mit Thomas, Willi, Lutz und mir ein völlig neues Team – wir wollten einfach ein anderes Turrican machen. Holger (der parallel Super Turrican auf dem SNES entwickelte) hatte bestimmt auch noch Ideen eingebracht. Die neue Ausrichtung gefällt nicht allen, aber ich glaube schon, dass das Endergebnis sich nicht zu verstecken braucht. Wir haben uns meist alle ein, zwei Wochen getroffen und ansonsten Grafiken per Diskette-in-der-Post getauscht – Email etc. gab es damals noch nicht. 😊
AGF: Hat sich Manfred Trenz in die Entwicklung eingebracht? Gab es dort Kontakt?
Frank: Manfred habe ich selbst ein paarmal getroffen (u.a. hat er den ersten Level von Apidya auf Anhieb durchgespielt – das hat mich umgehauen), aber mit Teil 3 hatte er gar nichts mehr zu tun. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass sich da jemand mit ihm abgesprochen hatte.
AGF: Warum der Enterhaken? Es brachte zwar frischen Wind, kam jedoch überraschend. War es letztlich eine gute Idee?
Frank: Ich weiß gar nicht mehr, wie die Idee zustande kam … ich glaube Julian wollte die neue Mechanik ausprobieren. Manchmal ist es ein bisschen hakelig, aber man kann sich schnell dran gewöhnen. Ich wünschte aber, wir hätten daraus eine „Energiepeitsche“ wie in Blazing Chrome gemacht. (Wenn ihr das nicht kennt – unbedingt ausprobieren!)
AGF: Wie bewertest du die Amiga-Version? Leider musste sie im Vergleich zur Megadrive-Version Federn lassen. War dies den beschränkten technischen Möglichkeiten des Amiga geschuldet oder war es eine weniger bedeutende Umsetzung? Technisch war Turrican 3 zwar sehr gut, aber es gibt einige Bereiche, die im Vergleich deutlich weniger gelungen erscheinen.
Frank: Wie oben schon gesagt – das Spiel war absolut nicht auf die Amigafähigkeiten ausgelegt. Peter und Ramiro haben extrem käpfen müssen, dass alles zumindest spielerisch intakt bleiben konnte. Aber eins ist klar: Ein ‚echtes‘ Amiga-T3 hätte anders ausgesehen. Trotzdem kamen Amiga-Spieler:innen noch vor den Sega-Gamer:innen in den Genuss des neuen Teils. Das war doch auch etwas!
AGF: Wie lief die Übernahme der Grafik von Megadrive auf Amiga.
Frank: Tatsächlich war das v.a. eine manuelle Fleißarbeit. Ramiro musste damals in der Praxis die 64 (4x 16) Farben des Mega-Drive-Originals in (für die allermeisten Assets)16 oder gar weniger Farben umwandeln (die transparenten Farben, damit der Hintergrund sichtbar ist, ignorieren wir an dieser Stelle einfach). Dadurch wurde es extrem schwer, Farben für Standardeffekte (Explosionen. Extrawaffen-Container o.ä.) bereit zu stellen. Auf dem MD konnte ich dafür bspw. eine ganze 16-Farb-Palette dafür reservieren (inkl. des Player-Sprites). Bei Turrican 2 bspw. war die gesamte Grafik so angelegt, dass zu jeder Zeit immer die ‚richtigen‘ Farben zur Verfügung standen – das war auf einem OCS-Amiga so halt nicht direkt nachbildbar. Aus heutiger Sicht und v.a. mit mehr Zeit (bitte nicht vergessen: Wir mussten davon leben!) hätten wir damals sicherlich auch andere Kompromisse austesten können, die eventuell am Ende ein besseres Gesamtbild ergeben hätten. Ich konnte mich damals leider auch nicht miteinbringen, da ich schon an den Nachfolgeprojekten gearbeitet hatte.
AGF: Welche Ideen wurden bei Mega Turrican gestrichen? Ihr hattet sicherlich einige, die letztendlich dem Rotstift zum Opfer fielen.
Frank: Mit 8Mbit (1 MByte) hatten wir schon eine ganz ordentliche Modul-Größe, aber trotzdem war der Speicher im Vergleich mit vielen Mitbewerber-Spielen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eher gering. Trotzdem kann ich ad hoc nicht sagen, dass wir viele Ideen streichen mussten – das war bei dem parallel entstehenden Super Turrican auf SNES mit nur 4Mbit ein ganz anderer Kampf.
AGF: Welches grafische Element gefiel dir am besten?
Frank: Kann ich gar nicht sagen – ich finde, dass das Gesamtwerk einfach schön rund geworden ist. Das war uns wichtig. Toll fand ich, dass Thomas in Echtzeit Sprites drehen und zoomen konnte. Ich weiß gar nicht, ob das vielen Spieler:innen damals aufgefallen ist (weil die Größe stark eingeschränkt war), aber ich fand es beeindruckend. Genauso, dass wir den „Transparenz“-Effekt genutzt haben – das war absolut unüblich. Da hätten wir sicherlich noch mehr mit machen können, denke ich.
AGF: Super Turrican war dann das erstes Super Nintendo-Turrican. Es erscheint dort bunter, weniger düster und eher im Nintendo-Stil. War die Designänderung gewollt, gefordert oder ergab sie sich einfach so?
Frank: Das ergibt sich auch schon durch die Farbpalette und -temperatur des SNES, dass alles irgendwie bunter aussieht. Aber ja, ST1 sollte sich stärker an den Originalen orientieren – und T2 auf dem Amiga war ja auch eher „bunt“ als düster. Das war also eine bewusste Entscheidung für einen anderen Look für die SNES-Fassung. Die sich ja aber sogar ein paar Grafiken mit der MD-Fassung teilt – die wirken auf dem SNES aber ebenfalls weniger düster.
AGF: Super Turrican 2 wurde vollkommen anders. Linearer, eher wie Contra als Turrican. Grafisch und technisch jedoch ein Feuerwerk. Wie siehst du die Entwicklung von Turrican? War es der richtige Weg oder hat sich das Spiel zu sehr vom Grundgameplay entfernt?
Frank: Nach 30 Jahren beurteilt man sowas potenziell anders als damals – wir waren halt auch sehr große Contra/Probotector-Fans (Factor 5 hat ja bspw. sogar auch GameBoy für die Marke entwickelt). Damals fand ich die Neuausrichtung cool, aber ja, wir hätten potenziell uns eher am Original orientieren können, um die Hardcore-Fans mehr abzuholen. Aber auf dem SNES gab es davon potenziell ohnehin gerade in den USA nicht viele, sodass uns das damals nicht problematisch erschien. Und das Spiel selbst ist doch auch so ein schmucker Action-Kracher geworden, oder? Was ich ganz persönlich aus heutiger Sicht wirklich als Fehlentscheidung betrachte ist die orchestrale Musikuntermalung statt der typischen Power-Elektro-Hymnen. Aber auch da wollten wir es halt besonders wuchtig machen – und Chris‘ Soundtrack ist ja auch sehr spektakulär, nur eben auch ziemlich untypisch für Turrican.
AGF: Weißt du etwas über Turrican 3D? Gab es Gespräche oder war das ein alleiniges Projekt von Trenz?
Frank: Das kenne ich nur aus Anekdoten. Und Manfred hätte sich da sowieso sicherlich nicht reinreden lassen. 😊 Factor 5 haben ja auch an 3D-Konzepten gearbeitet, aber schlussendlich ist da ebenfalls nichts draus geworden. Aber wenn ich das an dieser Stelle sagen darf: Uns bleiben ja trotzdem noch ein paar richtig spannende 2D-Turricans, die auch heute noch Spaß machen. Es war toll, dass Strictly Limited Games die Spiele unlängst nochmal neu aufgelegt haben. Damit kamen auch wieder viele Erinnerungen an die frühen 90er zurück.
AGF: Danke für das Interview.
Frank: Sehr gerne.