Steve Tall war leitender Programmierer bei den Bitmap Brothers und arbeitete an GODS. Er berichtet von seiner Zeit dort und wie er später zu Westwood wechselte.
AGF: Hallo Steve, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, ein paar unserer Fragen zu beantworten.
Steve: Hallo!
AGF: Zuerst die klassische Frage: Was waren deine ersten Erfahrungen mit Videospielen und wie bist du zum Programmieren gekommen?
Steve: Meine ersten Erfahrungen mit Videospielen hatte ich in Spielhallen, angefangen mit Dingen wie Pong und Space Wars. Das erste Arcade-Spiel, das mich wirklich fesselte, war Space Invaders – es fühlte sich an wie eine völlig neue Welt. Die Verbreitung der frühen 8-Bit-Heimcomputer schien eine Gelegenheit zu sein, diese Art von Arcade-Erlebnissen auch zu Hause zu haben, und so wuchs mein Interesse immer weiter.
AGF: Was war das erste Spiel, das du programmiert hast?
Steve: Ich habe meine eigene Version von Bomber (Sega) in BASIC auf dem Dragon 32 programmiert.
AGF: Wie bist du dazu gekommen, für die Bitmap Brothers zu arbeiten? Das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich.
Steve: Ich habe damals für einen Spieleentwickler und -publisher namens Tynesoft gearbeitet, aber die Art von Spielen, die wir machten, war nicht besonders befriedigend. Ich liebte die Spiele, die die Bitmaps entwickelten, also habe ich eine Demo von einem Side-Scrolling-Shooter erstellt und zusammen mit meinem Lebenslauf an die Bitmaps geschickt. Die Demo hat ein bisschen geschummelt, weil ich das vom Spieler gesteuerte Raumschiff in jedem Frame während des Vertical Blanks zeichnete. Dadurch wirkte es so, als würde es auf dem Atari ST Vollbild-Scrolling mit 50fps schaffen – was es aber nicht wirklich tat. Das hat mir die Tür geöffnet.
AGF: War das Konzept von GODS schon vorher geplant, oder kam die Idee erst mit dir?
Steve: GODS befand sich bereits in der frühen Planungsphase, als ich dazu kam. Wir wussten, dass es ein Side-Scrolling-Platformer werden sollte, und es gab schon einige Charakter- und Hintergrundgrafiken.
AGF: Was war die Inspiration hinter GODS?
Steve: Das ist eine Frage, die man besser Eric Matthews stellen sollte.
AGF: Für welches System wurde die erste Version entwickelt, und welches ist die Originalversion? Du warst ja für alle verantwortlich.
Steve: Ursprünglich war der Atari ST die Hauptplattform, die Amiga-Version begann dann einige Monate vor der Veröffentlichung. Anschließend portierte ich das Spiel auf den PC (von 68000-Assembler auf 8086 zu wechseln, macht keinen Spaß). Mit den anderen Ports hatte ich nichts zu tun – höchstens habe ich mal eine Frage beantwortet.
AGF: Welcher Teil der Programmierung war der schwierigste oder komplexeste?
Steve: Am herausforderndsten war, glaube ich, der Spiele-Editor, weil das etwas völlig Neues für mich war. Mit dem Editor konnten wir die Levels, Gegner, Wege, Fallen usw. anlegen und außerdem Trigger-Bereiche, Bedingungen und Effekte definieren.
AGF: Programmieren auf dem Amiga bedeutete immer Kompromisse. Was stand den 50 Bildern pro Sekunde im Weg? Das Spiel läuft ja mit 25 Bildern.
Steve: Das Hardwarescrolling war im Vergleich zur ST-Version eine enorme Hilfe, aber es passierte trotzdem eine ganze Menge – vor allem, wenn einige der größeren Effekte ausgelöst wurden. Außerdem mussten wir den US-Markt berücksichtigen, wo die TV-/Monitor-Bildwiederholrate 60 Hz betrug. Das gab uns pro Frame weniger Zeit, um Arbeit zu erledigen.
AGF: Warum hat die Amiga-Version keine Musik im Spiel, im Gegensatz zur SNES-Version? Übrigens finde ich die Atmosphäre ohne Musik noch besser.
Steve: Ha, ich erinnere mich nicht mehr. Auf dem Amiga waren wir sehr knapp beim Speicher, daher könnte es sein, dass wir uns den Platz für die Samples einfach nicht leisten konnten. Ich mochte aber die Musik in der PC-Version sehr, die mit der Roland LAPC-1 abgespielt wurde.
AGF: Die Levels haben eine gewisse KI. Manche Dinge verändern sich, das Spiel passt sich an, je nachdem, ob man gut oder weniger clever spielt. Kannst du uns dazu etwas erzählen?
Steve: Das wurde alles über Bedingungen und Trigger im Spiele-Editor umgesetzt. Eingaben waren zum Beispiel der Standort des Spielers, seine Lebensenergie oder welche Waffen und Schätze er besaß. Bedingungen konnten mit „und/oder“ verknüpft werden, um komplexere Berechnungen zu ermöglichen. Wenn der Spieler den definierten Triggerbereich betrat, wurden die Bedingungen ausgewertet und die entsprechenden Ereignisse ausgelöst. Ereignisse konnten etwa das Ein- oder Ausblenden von Spielelementen sein, das Erscheinen von Heiltränken oder zusätzlichen Gegnern usw.
AGF: Die Levels sind sehr komplex. Interessanterweise können sie auf unterschiedliche Arten abgeschlossen werden – ein Element, das viele vielleicht gar nicht bemerkt haben. Zum Beispiel kann der erste Abschnitt über Abkürzungen oder durch einen Speedrun beendet werden, um einen Geheimgang zu aktivieren.
Steve: Ja, das war beabsichtigt. Wir haben sehr viel getestet, überarbeitet und die Levels verfeinert.
AGF: Der Kopierschutz ist sehr clever. Wenn das Spiel kopiert wird, läuft es auf einem extrem hohen Schwierigkeitsgrad. Wer hatte die Idee, und wie wurde das umgesetzt? Und hat es sich rückblickend gelohnt? Viele haben nicht einmal bemerkt, dass das der Kopierschutz war.
Steve: Ich erinnere mich nicht mehr, wer die Idee hatte. Die Umsetzung war ganz einfach: Bestimmte interne Daten für Schaden, Geschwindigkeit der Gegner usw. wurden anhand von Zahlen gesetzt, die vom Kopierschutz kamen und nur auf einer Originaldiskette vorhanden waren. Heute würde ich so etwas nicht mehr machen. Mir wäre es lieber, einen „Piraten“ in einen Kunden zu verwandeln – jemandem ohne Erklärung ein schlechtes Spielerlebnis zu geben, hilft dabei nicht.
AGF: Ihr müsst doch alles zusammen in den Büros der Bitmap Brothers entwickelt haben. Wie war das Team? Wie funktionierte die Zusammenarbeit, insbesondere mit dem Grafiker Mark Coleman?
Steve: Tatsächlich waren wir alle an verschiedenen Orten. Ich arbeitete von zu Hause in Whitley Bay, Eric war im Bitmap-Büro in Wapping, und Mark lebte in Cardiff. Wir führten lange Telefonate, und Eric wechselte sich damit ab, Mark und mich zu besuchen. Gelegentlich fuhr ich ins Londoner Büro, und Eric und ich besuchten gemeinsam Mark. Wir nutzten Modems, um Code und Grafiken hin- und herzuschicken.
AGF: Wie lange dauerte die Entwicklung?
Steve: Ich glaube, ich habe ungefähr zwei Jahre daran gearbeitet.
AGF: Wie erfolgreich war GODS? Hast du ungefähre Verkaufszahlen?
Steve: Ich habe keine Verkaufszahlen, aber soweit ich weiß, lief es gut. Die Bitmap Brothers hatten zu der Zeit eine starke Fangemeinde.
AGF: Wer hat die vielen Schalterrätsel entworfen?
Steve: Eric und ich haben uns die Level-Design-Aufgaben geteilt, aber wir haben bei den Levels des jeweils anderen zusammengearbeitet und getestet. Eric entwarf die Levels 1 & 3, und ich habe die Levels 2 & 4 gemacht.
AGF: Gab es andere Puzzle-Ideen, die aufgrund technischer Einschränkungen nicht umgesetzt werden konnten?
Steve: Daran erinnere ich mich nicht mehr.
AGF: Wer hat die Monster- und Gegnerdesigns entworfen? Die sind absolut großartig geworden.
Steve: Mark Coleman hat zuerst die Grafiken erstellt. Ich habe dann die Sprite-Sheets genommen und überlegt, wie sie sich im Spiel bewegen und verhalten sollten. Am meisten Zeit haben die Levelbosse gekostet, weil ihre Grafiken in einzigartiges Gameplay übersetzt werden mussten.
AGF: Nicht alle Rätsel werden durch Hinweise erklärt, sondern eher durch Ausprobieren. War das Absicht?
Steve: Ja, wir wollten versteckte Bereiche und Boni, die mehrere Durchgänge belohnen. Die Spieler sollten das Gefühl haben, dass sie vielleicht noch nicht alles gesehen haben.
AGF: Das Shopsystem und die KI der Gegner waren ihrer Zeit weit voraus. War das schwer zu programmieren?
Steve: Nein, das war nicht so schlimm. Am schwierigsten war die Erstellung des Editors und des Datensatzes.
AGF: GODS erhielt in der Fachpresse Spitzenbewertungen. Warum gab es nie eine Fortsetzung?
Steve: Ich denke, weil Eric immer weitergehen und neue Dinge ausprobieren wollte. Die Ideen, die später zu Z wurden, kamen bereits gegen Ende der GODS-Entwicklung auf. Außerdem brachten die Bitmaps kurz nach GODS Magic Pockets heraus – vielleicht war das erst einmal genug an Plattformspielen.
AGF: Hast du die Jungs von „Nation 12“ während der Entwicklung jemals getroffen? Ihr Track Into the Wonderful war ein absoluter Hit, und beide sind großartige Musiker.
Steve: Nicht, soweit ich mich erinnere. Dass ich hunderte Kilometer vom Bitmap-Büro entfernt war, hat wahrscheinlich dazu beigetragen.
AGF: Die Bitmap Brothers wurden in der damaligen britischen Entwicklerszene oft wie Rockstars behandelt. Ist das nur ein Mythos, oder fühlte es sich wirklich so an? Wie bekannt wart ihr, und wie hat sich das auf dich ausgewirkt?
Steve: Ich denke, das ist eher ein Mythos. Als die Bitmap Brothers anfingen, lag die Kontrolle über Entwicklung und Marketing größtenteils bei den Spiele-Publishern (manchmal habe ich das Gefühl, das hat sich bis heute nicht groß geändert). Der Ansatz der Bitmaps, Persönlichkeiten im Marketing und in der PR stärker in den Vordergrund zu stellen, sollte dieses Machtungleichgewicht teilweise ausgleichen und Entwicklern mehr Sichtbarkeit und Kontrolle geben. Deshalb gründeten sie auch ihr eigenes Publishing-Label Renegade – um das Ungleichgewicht zwischen Publishern und Entwicklern anzugehen. Das erste Spiel, das Renegade veröffentlichte, war GODS.
AGF: Warum hast du nur dieses eine Spiel für die Bitmap Brothers gemacht?
Steve: Ich habe nach GODS auch noch Z für die Bitmaps programmiert.
AGF: Wie bist du schließlich bei Westwood gelandet?
Steve: Gegen Ende von Z wurde es durch die größeren Teams und die damalige Technik immer schwieriger, aus der Ferne zu arbeiten. Es sah so aus, als müsste ich nach London ziehen, also schaute ich mich nach anderen Möglichkeiten um. Natürlich gibt es viele Menschen, die London lieben, aber für mich war das nichts. Ich sah eine Stellenanzeige von Westwood in einer Fachzeitschrift und besuchte ihren Stand auf der ECTS, um zu sehen, ob es passen könnte. Las Vegas schien mir definitiv attraktiver als London.
AGF: Woran hast du genau bei Command & Conquer gearbeitet?
Steve: Zunächst habe ich die Windows-Version (von DOS) von Tiberian Dawn gemacht. Danach war ich Lead Programmer bei Red Alert und Tiberian Sun. Ich habe außerdem an Red Alert 2, Renegade und dem ursprünglichen C&C3 gearbeitet, das jedoch während der Vorproduktion eingestellt wurde, als EA das Studio schloss.
AGF: Wie war es, für ein so legendäres Unternehmen zu arbeiten?
Steve: Die einzigen Firmen, für die ich die Bitmaps verlassen hätte, waren Westwood und LucasArts, weil ich ihre Spiele liebte. Westwood war etwas Besonderes wegen der Menschen, die dort arbeiteten, und es ist definitiv ein gutes Gefühl, mit Spielen in Verbindung gebracht zu werden, die die Leute lieben.
AGF: Was machst du heute?
Steve: Nachdem Westwood 2003 geschlossen wurde, gründete ich zusammen mit Mike Legg und Joe Bostic, zwei Veteranen von Westwood, Petroglyph. Wir haben seitdem viele Strategiespiele gemacht, darunter Star Wars: Empire at War, Universe at War, Command & Conquer Remastered, und unser jüngstes Spiel ist 9-Bit Armies: A Bit Too Far. Ich verbringe auch heute noch den Großteil meiner Arbeitszeit mit Programmieren.
AGF: Was war besser: Spiele damals oder heute zu entwickeln?
Steve: Ich denke, damals war es lohnender. Ich bin Autodidakt, und vor über 40 Jahren war das eine echte Herausforderung. Ohne Internet war man auf die wenigen Bücher angewiesen, die man finden (und sich leisten) konnte, oder auf das Wissen, das man von Gleichgesinnten aufschnappen konnte.
AGF: Was ist deiner Meinung nach das beste Spiel aller Zeiten?
Steve: Dazu habe ich keine Meinung – ich wüsste nicht einmal, wo ich anfangen sollte. Es gibt so viele verschiedene Arten von Spielen, und alle sind ein Produkt ihrer Zeit. Mein persönlicher Favorit ist wahrscheinlich das Arcade-Spiel Pengo aus den frühen 80ern.
AGF: Okay, danke für deine Unterstützung. Es war uns ein Vergnügen.
Steve: Sehr gerne! Danke, dass ihr mich kontaktiert habt.
Interview: Martin Becker / Tino Menzner / Steve Tall