Mag+ Interview Mark Ferrari

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Interview Mark Ferrari


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Mark

Interview Mark Ferrari

 

Mark war Grafiker bei Lucasfilm Games und für einen Großteil der Hintergrundgrafik von Monkey Island 1 verantwortlich. Des Weiteren hat er überwiegend die Grafik von Loom erschaffen. Sein letztes Projekt war die Grafik von Thimbleweed Park.

Wir plaudern etwas über die Zeit von damals und heute.

 

AGF:

Hallo Mark, danke, dass du dir die Zeit genommen hast, dieses Interview mit uns zu führen.

Wie bist du damals zu „Lucasfilm Games“ gekommen? Und welche Verbindung hattest du davor zu Videospielen?

Mark:

Ich und meine Illustrationsarbeit wurden 1987 auf einer kalifornischen
Science-Fiction-Convention-Kunstausstellung von Gary Winnick „entdeckt“. Er war damals Art Director von Lucasfilm Games, der mich bat, einen „Kunsttest“ auf der Skywalker Ranch in Marin, Kalifornien zu machen. Die Veranstaltung hieß BayCon, und es war das erste Mal, dass ich meine Fantasy-Illustrationsarbeit auf einer öffentlichen Ausstellung zeigte.

Gary nahm an diesem Kongress teil und traf den Ehrengast der Kunstmesse des Kongresses, einen Illustrator aus Connecticut namens Tom Kidd, der mich an diesem Wochenende freundlicherweise unter seine Fittiche genommen hatte. Tom nahm Gary mit zu meiner Arbeit, sagte ihm, ich sei „neu“ und fragte Gary, ob er Lust hätte, mich kennenzulernen. Da ich „neu“ bin, war ich völlig erstaunt über Garys Interesse daran, mich möglicherweise für Lucasfilm arbeiten zu lassen. Ich fand die Idee im Grunde wirklich toll, aber ich musste ihm beichten, dass ich ein absoluter Technophober war, der noch nie einen Computer so richtig gesehen oder berührt hatte (1987 waren Computerspiele noch nicht so verbreitet, zumindest bei mir nicht.). Und daher war ich mir nicht sicher, ob ich der Droide war, den sie suchten.
Gary antwortete, dass sie mehr Glück gehabt hätten, Künstler zu finden und ihnen den Umgang mit einem Computer beizubringen, als Computertechnikern beizubringen, Künstler zu sein. Also ging ich zur Skywalker-Ranch, machte den „D-Paint“-Bildschirmtest und … der Rest ist Geschichte.

AGF:

Du hast als klassischer Maler angefangen und bist erst mit Lucasfilm Games zur Pixel Art gekommen. Wie verlief für dich der Umstieg angesichts der damals noch relativ neuen Technik? War es etwas beeindruckend Neues für dich oder eher ein Fluch? Wo lagen die Schwierigkeiten in der Produktion?

 

 

Mark:

Ja, ich habe gerade als kommerzieller Illustrator angefangen, als ich eingestellt wurde, aber all meine Fähigkeiten lagen in „traditionellen Medien“ und, wie ich im Laufe der Jahre vielleicht zu oft gesagt habe, musste ich alles machen, was wie „Kunst“ aussah. Aber diese blockartigen „Pixel“ in 16 ziemlich schrecklichen EGA-Farben zu verwenden, war für mich eine fast schizophrene Herausforderung. Einerseits hasste ich die absolute Unfähigkeit, Entscheidungen über Farbe oder Details zu treffen. Es schien, dass fast keine der künstlerischen Fähigkeiten, in denen ich ausgebildet worden war, überhaupt in dieses extrem „rohe“ neue Medium übersetzbar waren. Andererseits wurde es für mich zu einem fast obsessiv fesselnden „Puzzle“ herauszufinden, wie man mit solch einer Beschränkung umgeht, um etwas zu schaffen, das es wert ist, betrachtet zu werden. Es war für mich die künstlerisch herausforderndste Problemlösungsarbeit, die ich jemals hatte. Mein Eintauchen in diese „kreative Problemlösung“ führte unter anderem zur Verwendung von Dithered EGA colors in Lucasfilm-Spielen und zu einer ganzen Reihe von Möglichkeiten, Farbzyklen zu verwenden, um „realistische“ Vollbild-Umgebungs-Animationen zu erzielen, die sonst nicht machbar oder sogar unmöglich wären, innerhalb der restriktiven Speicher- und Verarbeitungsgrenzen von Desktop-Computern zu dieser Zeit. …Aber das ist eine ganz andere Geschichte. :]

Mark Ferrari-GaryWinnick-1988

AGF:

Wie war die Arbeit auf der Skywalker Ranch? Fallen dir spontan Geschichten ein? Wie waren die Teamarbeit und die Arbeit im Allgemeinen auf der Ranch?

Mark:

Seltsamerweise war die Stelle bei Lucasfilm Games erst mein zweiter Job überhaupt  als Werbeillustrator. Ich war also noch nicht sonderlich erfahren. Wenn ich jetzt zurückblicke, muss ich sagen, dass meine drei Jahre auf der Skywalker Ranch die beste berufliche Erfahrung waren, die ich bis heute gemacht habe. Die kleine Gruppe von Kollegen, mit denen ich zusammengearbeitet habe – Gary Winnick, Ron Gilbert, Steve Purcell, Ken Macklin, Lela Dowling, „Bucky“ Cameron, David Fox, Brian Moriarty und Noah Falstein – waren alle ungewöhnlich kreative, intelligente, sympathische und engagierte Menschen. Das Maß an Kollegialität dort im Alltag übertrifft alles, was ich seither erlebt habe.

Die gesamte Computerspiele-Industrie war damals praktisch brandneu. Wir waren eine „kleine Gruppe“ von „Pionieren“, die mit einer neuen Technologie arbeiteten, die gerade erst erforscht und definiert wurde – mit Tonnen von Risikokapital dahinter. Niemand hatte damals „formalisierte“ Erwartungen oder Geschäftsmodelle. Und die gigantischen Bürokratien und eng definierten und getrennten Aufgaben von Design, Programmierung, Umgebungskunst, Animation, Ton-, Produzenten- und Verwaltungsteams, die heute so allgegenwärtig sind, gab es einfach nicht in so strenger Form.

Unabhängig davon, welche Art von Aufgabe einer von uns tatsächlich an einem Spiel ausführte, traf sich die gesamte Gruppe regelmäßig, um während des gesamten Prozesses Brainstorming durchzuführen und jeden Aspekt eines Spiels zu diskutieren. Künstler sprachen zu Design- oder Programmierthemen, genauso wie Programmierer und Designer ständig über Kunstthemen sprachen, auf sehr offene und informelle Weise. Mein Drang, Dithered EGA zu verwenden, war sicherlich genauso viel – oder mehr – ein Programmierproblem, als ein künstlerisches. Man verständigte sich und fand eine Lösung. Ansonsten, was kann ich noch sagen über die Skywalker Ranch? Es war fantastisch. Die Spielabteilung war damals in einem der künstlichen „Farmgebäuden“ neben dem „viktorianischen Verwaltungsgebäude“ untergebracht. Das Essen wurde jeden Tag auf einem fabelhaften und wunderschön dekorierten Buffet-Tisch in dem gerade erwähnten Herrenhaus serviert. Und das ruhige, wunderschön angelegten Gelände, das uns umgibt, war –, nun ja, es hat möglicherweise sehr viel mehr Kreativität und Erfindergeist angeregt, als es die Bürokabinen von heute tun.

AGF:

Du warst für die Hintergrundgrafik von Monkey Island verantwortlich. Kannst du uns etwas zu erzählen, gab es irgendwelche Probleme dabei?

Mark:

Ich war tatsächlich für vielleicht ein Drittel der Hintergrundgrafiken verantwortlich. Der Rest wurde größtenteils von Steve Purcell produziert. Ich nehme an, da das Spiel im „neuen Dithered-Stil gemacht wurde, den ich dort eingeführt hatte, war ich vielleicht etwas für den gesamten Kunststil des Hintergrunds verantwortlich, aber Steve und ich teilten uns die verschiedenen Umgebungen auf. Es gab keine Probleme – zumindest nicht für mich, soweit ich mich erinnere. Ich kann nicht sagen, wie angenehm oder unbequem es für andere, größere Talente wie Steve und Ron gewesen sein mag, sich an den neuen Kunststil dieses jungen, grünen Emporkömmlings anzupassen. Aber ich war einfach nur erfreut, endlich einen Weg gefunden zu haben, per Dithered EGA mehr von der atmosphärischen Perspektive und Farbtiefe in diese Spiele zu übersetzen, als ich es von der traditionellen Illustrationsarbeit gewohnt war.

AGF:

Wurde die Grafik von „Monkey Island“ in „Mêlée Island“ von der Stadt Rothenburg ob der Tauber in Deutschland beeinflusst?
Es gibt hier dieses Gerücht. Ist da wirklich etwas dran, oder ist das alles nur eine Fehlinterpretation? Selbst Ron sagt, dass es ein Zufall ist, wir wollen aber nicht so recht daran glauben.

Mark:

Richtig. Das kommt immer wieder vor, oder? 😀 Meine stillschweigenden Eingeständnisse an anderer Stelle waren vielleicht etwas … ausweichend, nehme ich an. Lasst uns das also ein für alle Mal klarstellen, oder?
In jenen Tagen vor dem weitverbreiteten Zugang zum „Internet“ war es für Illustratoren ziemlich üblich, eine sogenannte „Scrap file“ zu führen, eine oft riesige Sammlung von Fotografien und Illustrationen aller erdenklichen Dinge und Umgebungen, gesammelt aus Zeitschriften, Junk-Mails, Wandkalendern etc. Im Laufe der Jahre kommt da einiges zusammen, sortiert in Ordnern nach Kategorien. Die Illustratoren bezeichneten das als  „Ausgangsmaterial“, wenn sie gebeten wurden, etwas zu zeichnen. Wir müssen möglicherweise praktisch alles in kürzester Zeit zeichnen, um endlos unterschiedliche Kundenanforderungen zu erfüllen. Und nur wenige von uns hatten all diese visuellen Themen nur bis ins kleinste Detail in unseren Köpfen gespeichert.

Wenn wir also einen Zeichnungsauftrag erhielten, durchsuchten wir unsere Ausschussdateien nach visuellen Referenzen, um unsere Zeichner zu informieren. Fünfunddreißig Jahre später habe ich ehrlich gesagt keine genaue Erinnerung an die Arbeit bei Lucasfilm, geschweige denn, welche visuelle Referenz ich dabei verwendet habe. Aber als Gary und Ron mir erzählten, dass sie eine mittelalterliche Piratenstadt mit verwinkelten Straßen und einem Glockenturm brauchten, hatte ich wenig Zweifel, dass ich direkt meine „Scrap file“ durchforstete, um eine visuelle Referenz zu finden … und ich fand sie. Ich war mir damals ziemlich sicher, (jegliche früheren Witze beiseite), dass die Stadt Rothenburg ob der Tauber existierte. Sie war ja ziemlich berühmt, sogar bevor das ursprüngliche Spiel Monkey Island gemacht wurde. Diese Stadt passte perfekt zu Rons Anforderungen an das Layout. Und da die Ähnlichkeit zwischen vielen Fotos dieser bestimmten Straßenecke und meinem Hintergrund in Monkey Island so unheimlich ist, denke ich, dass es fast sicher ist, dass ich ein Foto dieser Straßenecke in Rothenburg in meiner „Scrap file“ hatte und einfach übersetzt und angepasst habe, um unsere Bedürfnisse im Spiel zu erfüllen. Geheimnis gelüftet. Geständnis abgelegt. Sind wir gut? 😀

AGF:

Wurde auch langsam Zeit, die Welt hat auf diese Erklärung gewartet.

Spiel vs. Original

Mark:

Und wo ich gerade dabei bin, das war auch bei Weitem nicht das einzige Beispiel dieser Praxis in meiner Arbeit. Ich habe seit Jahren Fotos von einer SCHÖNEN Treppe und einer Fenstertür von „einem historischen Herrenhaus“ in meinen „Scrap file“ (die jetzt natürlich vollständig digital sind) und hoffte immer, ich könnte sie eines Tages irgendwo mit einbringen. Meine Chance kam schließlich während der Produktion von Thimbleweed Park. Ich bekam eine Eingangsbereichs-Szene im Maniac Mansion-Stil vorgegeben. Da hieß es, wir brauchen eine große Treppe, eine Bibliothekstür auf halber Höhe und einen großen Kamin unter einem hängenden Spiegel. Sehr gut! Ich baute diese Elemente ein und zeichnete wieder einmal so viel von dem, was ich auf diesen geschätzten Scrap Fotos sah, wie ich konnte, wieder einmal nicht bewusst, was für ein berühmtes Herrenhaus dieser Ort war. Ich wusste auch nicht, dass die Ansicht dieser Treppe schon öfters verwendet worden war. Ein halbes Dutzend Spirituosen-Anzeigen nutzten dieses Motiv wohl auch. Ah, na ja, was soll’s.

 

AGF:

Wie siehst du Monkey Island heute? Nach all den Jahren hat man vielleicht eine andere Sicht darauf.

Mark:

Zunächst muss ich sagen, dass ich, obwohl ich sicherlich stolz auf das bin, was ich zu
The Secret of Monkey Island beigetragen habe, auch unglaublich viel Spaß dabei hatte. Ich hatte aber auch nie das Empfinden, eine übermäßig „großartige Arbeit“ geleistet zu haben. Tatsächlich bin ich mir so gut wie sicher, dass keiner von uns damals ahnte, dass wir ein so bedeutendes „klassisches Computerspiel“ erschufen. Wir haben alle sehr viel Energie und Mühe darauf verwendet, haben einfach unser Bestes gegeben, weil wir alle zu den Menschen gehörten, denen es nicht genügte, nur das Nötigste zu tun. Ich bezweifle, dass es irgendjemandem von uns je in den Sinn gekommen ist, dass sich dieses Spiel so sehr von anderen abhebt oder so lange überdauert, wie es bisher der Fall war. Ich bezweifle, dass die meisten Menschen überhaupt wissen, dass sie „Geschichte schreiben“, wenn sie es tun. Das ist eine Bezeichnung, die meistens von anderen gemacht wird, und das viel später.

AGF:

Wie reagieren die Leute, wenn sie erfahren, dass du an Monkey Island beteiligt warst? Erinnern sich die Leute? Hat dir diese Entwicklungszeit in deinem späteren Leben noch etwas gebracht?

Mark:

Ich denke, die Geschichte, die ich hier beitragen kann, ist eine, die Jahrzehnte später passiert ist.

In den späten 90er-Jahren wurde ich wegen meines Pixel-Art-Stils und meiner
Farbwechsel-Techniken fast über Nacht von einem „IT-Guy“ in der Computerspielbranche zu einem irrelevanten alten Hasen, weil 3D-CAD-Rendering aufkam. Keine der Fähigkeiten, für die ich bekannt war, wurde mehr benötigt oder war überhaupt relevant, denn jetzt wurde die gesamte Umgebung in hochmodernen Spielen von einer Reihe von Algorithmen erzeugt. Der moderne „Künstler“ verwendete nun verschiedene Schaltflächen, Schieberegler und Menüs, um ein Drahtgittermodell der „Szene“ zu erstellen. Polygonflächen, Farben und vorgefertigte Texturen werden zugewiesen. Beleuchtungsrichtung(en) werden bestimmt, um dann im Grunde auf einen Render Button zu klicken, wonach er für ein paar Stunden zum Mittagessen ging, während die Maschine das eigentliche „Zeichnen“ erledigte.

Und in einem drehbaren 3D-Universum voller neuer „Effekt“-Algorithmen waren die von mir entwickelten Tricks für Farbwechsel-Umgebungsanimationen ebenfalls völlig irrelevant. Alle meine früheren Kunden hatten für mich nach und nach kaum noch Verwendung. Und so fand ich bald Arbeit als Kellner, um meinen Verdienst aufzubessern. Pixelarbeit leistete ich nur noch in Akkordarbeit für winzige Indy-Entwickler, die meine Arbeit liebten, aber nicht einmal das Budget hatten, um sie selbst zu bezahlen. Und so driftete ich nach und nach aus der Gaming-Branche ab, für etwa zehn Jahre. Bis ich 2003 – mehr zufällig – einen alten Kollegen und Freund in Seattle anrief, um zu fragen, ob er nicht Lust hätte, sich zum Abendessen zu treffen, während ich wegen einer Hochzeit in der Stadt war. Er zeigte sich überrascht, dass ich noch am Leben war und sagte mir, dass er jemanden mit meinen
8-Bit-Pixel-Fähigkeiten wirklich gebrauchen könnte. Als ich meine Überraschung darüber zum Ausdruck brachte, dass 8-Bit-Pixelfähigkeiten immer noch benötigt würden, sagte er mir, dass Handhelds und Handys jetzt Spiele wie die alten Pixelgames haben. Die Geräte kommen mit den großen 3D-Spielen noch nicht klar, aber Pixelstyle, das geht.

Ich sagte ihm, ich hätte eine Wohnung und einen Mitbewohner in Omaha, Nebraska und könnte wahrscheinlich für mindestens ein paar Monate nicht nach Seattle kommen. Er sagte, er brauche mich, um am nächsten Morgen anzufangen. Tatsächlich, am nächsten Morgen!

Also rief ich meinen Mitbewohner in Omaha an, um ihm zu erklären, dass ich meine Miete aus der Ferne bezahlen würde, bis er meinen Ersatz gefunden hatte und lebte dann für etwa fünf Monate aus meinem Koffer auf der Couch meines neuen Arbeitgebers. Am ersten Tag meines überraschenden neuen Jobs mit ungefähr dreihundert neuen Kollegen führte mich mein neuer Arbeitgeber zu ein oder zwei Dutzend Bürokabinen, um mich all meinen neuen zwanzig- oder dreißigjährigen Teamkollegen vorzustellen (ich war fast 50!): „Mark, das ist Bob. Bob, das ist Mark Ferrari. Und er fängt heute hier mit der Arbeit an.“

Die Augen des jungen Mannes weiteten sich, und er sagte: „Du bist nicht DER Mark Ferrari …?“

„Der Mark Ferrari?“, fragte ich. Hier fehlte eindeutig etwas. „Bedeutung …?“

Monkey Island?“, erwiderte er, während mein Freund und neuer Arbeitgeber grinste.

„Woher weißt DU davon?“, fragte ich noch verwirrter. „Das wurde erschaffen, bevor du geboren wurdest.“

„Ach du lieber Gott!“, rief er aus. „Ich bin mit diesem Spiel aufgewachsen! Du arbeitest jetzt hier? Mit uns?“

Das geschah noch einmal – etwa vier weitere Male –, bis mir die Nachricht meiner Ankunft vorauseilte. Es war, als hätte jemand gerade einen lebenden prähistorischen Quastenflosser vor der Küste Südamerikas ausgebaggert.

Und so fand ich 2005 heraus, dass The Secret of Monkey Island „ein klassisches Kultspiel“ geworden war. Ich hatte bis dahin keine Ahnung, dass ich eine „Legende“ bin (das eigentliche Geheimnis hier ist natürlich, dass ich keine „Legende“ bin und nie gewesen bin). Ich war ein kämpfender Künstler, ein gelegentlicher Schriftsteller und gelegentlich ein Kellner, der jetzt erstaunt und zutiefst dankbar ist zu entdecken, dass etwas, an dessen Schaffung ich einst mitgewirkt habe, so vielen Menschen so viel bedeutet. Ich weiß nicht, wie viele meiner „Fans“ sich vorstellen können, wie viel mir ihre Freude an meinen alten Arbeiten bedeutet, aber ich hoffe, dass sie alle das Vergnügen haben, eines Tages irgendwie herauszufinden, wie es ist, wenn deine Arbeit ein anderes Leben oder andere Leben bereichert hat.

AGF:

Eine tolle Geschichte! Es muss grandios sein, wenn anderen deine Arbeit etwas bedeutet.

Du hast auch fast die komplette Grafik von Loom gemacht. Kannst du hierzu etwas erzählen?

Mark:

Was Loom betrifft, ja, ich habe die meisten, wenn nicht alle Hintergrundgrafiken, für dieses Spiel gemacht. Ich glaube, es war das erste Lucasfilm-Spiel, das in „Dithered EGA-Farben“ gemacht wurde. Der Beginn eines neuen Kunststils für das Studio, bis zum Aufkommen von VGA-Spielen. Unnötig zu sagen, dass ich es genossen habe, die Grafik für dieses Spiel zu machen und mit dem sehr kreativen Brian Moriarty zu arbeiten. Das waren noch Zeiten. :]

AGF:

Du warst nur für Monkey Island 1 verantwortlich, warum nicht für Teil 2?

Mark:

Die Herangehensweise zur Entwicklung von Computerspielen hat sich nicht lange nach der Entstehung von Monkey Island 1 erheblich verändert. Die Spieleabteilung wurde in Kabinen in einem Bürogebäude einer Versicherungsgesellschaft in San Raphael verlegt. Als Lucasfilm Games zu Lucas Arts wurde, blieb nach einer Weile vom Rest der
Lucasfilm-Organisation nicht mehr viel übrig. Mir gefielen die Umgebung und das Arbeitsklima nicht mehr so sehr. Also dankte ich meinen ehemaligen Kollegen für drei großartige Jahre und wurde freiberuflich tätig und verließ Lucasfilm Games, um es allein zu machen – im Guten wie im Schlechten. Ich muss hier noch einmal sagen, dass ich seither nie mit einer besseren, angenehmeren Gruppe von Menschen oder in einem kreativeren, anregenderen und befriedigenderen Geschäftsumfeld gearbeitet habe als auf der Skywalker Ranch mit Gary, Ron und den anderen.

AGF:

Thimbleweed Park sollte vorerst dein letztes Spiel gewesen sein. Wenn ja, warum kehrst du der Spielbranche den Rücken?

Mark:

Nun, es ist das letzte Spiel, an dem ich bisher gearbeitet habe. Aber ich kann nicht schwören, dass es das letzte Spiel sein wird, an dem ich jemals beteiligt war. Im Allgemeinen habe ich der Spieleindustrie jedoch nicht den Rücken gekehrt. Tatsächlich habe ich persönlich mehr Interesse am Spielen von Spielen – insbesondere Indie-Spielen – als jemals zuvor in meiner beruflichen Laufbahn. (Die Kinder des Schusters haben keine Schuhe, weißt du. 😉 ) Vielmehr wende ich mich – und das schon seit einiger Zeit – neuen, persönlicheren, kreativen Interessen zu. Die meisten Menschen – und sicherlich kreative – verbringen ihr Leben nicht damit, auf der Stelle zu rennen und den gleichen ersten guten Trick, den sie jemals hingelegt haben, immer und immer wieder zu wiederholen. Sie und ihre Interessen wachsen und entwickeln sich weiter. Alte Leidenschaften führen zu neuen. All die gleichen Dinge, die frühere Unternehmungen interessant gemacht haben, machen auch spätere gleich – nur auf neue Weise.

Ich habe die Jahre, die ich damit verbracht habe herauszufinden, wie man die Grenzen der 8-Bit-Pixelkunst erweitert und dort neue Arten von Grafik schaffte, wirklich, WIRKLICH genossen. Ich bin bis heute sehr froh über diese ganze Zeit meines Lebens in jeder Hinsicht. Aber um die Jahrhundertwende (Ich LIEBE es, dass ich diesen Ausdruck tatsächlich in Bezug auf mich selbst verwenden kann! :D), führte eine Reihe von etwas katastrophalen Ereignissen, auf die ich hier nicht eingehen werde, dazu, dass ich erkannte, dass meine wahre, übergreifende, kreative Leidenschaft nicht Pixelkunst war – oder bildende Kunst im Allgemeinen –, sondern „Storytelling“ in einem viel größeren, allumfassenden Sinne, nicht nur als „unterhaltsame Kunstform“, sondern wie sie durch das normale tägliche menschliche Leben hindurch verwoben ist in der langweiligen, nicht fiktionalen Welt, an die nur wenige (wenn überhaupt jemand von uns), im Sinne von „Story“ denkt.

Ich habe die Spielkunst – und viele andere Interessen und Beschäftigungen – in den letzten zehn Jahren hinter mir gelassen, um persönlichen, kreativen Projekten nachzugehen, von denen ich viele mit fast niemandem teile, obwohl einige davon vielleicht eines Tages geteilt werden.

AGF:

Vielleicht erfahren wir ja einmal etwas von deinen neuen Machenschaften.

Hast du noch Kontakt zum Team von damals?

 

Mark:

Mit einigen von ihnen habe ich gelegentlich noch Kontakt. Thimbleweed Park hat sicherlich einige von uns für eine Weile zusammengebracht, was mir sehr gut gefallen hat, aber im gleichen Sinne wie meine obigen Kommentare zu kreativen Menschen. Unsere Musen haben uns in den vielen Jahren, seit diesen drei goldenen Jahren, in denen ich ihnen bei der Entwicklung von Spielen auf der Skywalker Ranch geholfen habe, alle in sehr unterschiedliche Richtungen geführt.

AGF:

Danke für dieses interessante, ehrliche und auch emotionale Interview. Es war uns eine große Ehre!

Mark:

Gern geschehen! Es war, wenn überhaupt, eine noch größere Ehre für mich – wie ich hoffe, deutlich gemacht zu haben. :]

Interview mit Teut Weidemann

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Nur Online bei Amiga Germany Fan’Zine Mag+

Teut Weidemann ist ein deutscher Videospiel-Entwickler der ersten Stunde. Er hat bei Rainbow Arts gearbeitet und war beteiligt an legendären Spielen. In nur drei Jahren war er für über siebzig Titel mitverantwortlich.

AGF:
Hallo Teut, du bist ein Urgestein der deutschen Videospiel-Entwicklung und hast gerade im C64 und Amiga-Bereich Großes geleistet.

Wie kam es, dass man anscheinend gleich zu Beginn in eine so große Sache stolperte?

Woher kommt die Leidenschaft zu Videospielen, und woher nahmst du deine Kenntnisse der Grafik und Programmierung? 

Bitte einfach mal erzählen, wie alles anfing.

Teut
Durch den Beruf meines Vaters bei der Bundeswehr sind wir oft umgezogen und landeten sieben Jahre lang auf der Airforce Base in Ramstein. Dieses „Klein Amerika“ gab mir Zugriff auf Arcade-Automaten und die ersten Videospiel-Formate. Das weckte meine Leidenschaft. Durch den Umzug nach Bayern, 1980, kam ich dann in den Genuss von Informatikunterricht an einem der ersten Gymnasien, die das angeboten hat. In nur einem Jahr war ich Nerd und wusste mehr als die Lehrer – und ich habe nicht nur die Lehrer unterrichtet, sondern sogar den Informatik Unterricht gehalten, wenn der Lehrer mal wieder keine Lust hatte.

Auf dieser Schule fingen wir schon an, selbst Spiele (oder Spielchen) zu programmieren und auf dem Schulhof auf Kassette zu tauschen (Ja, Disk-Laufwerke gab es noch nicht.). In unserer Nerd Gruppe in München haben wir dann größere Spiele programmiert und an Publisher verkauft, wie zum Beispiel Kingsoft, wenn man die Publisher nennen konnte. Damals war alles halt noch sehr klein und amateurhaft, weil alle noch lernten, wie das Ganze funktioniert. Durch Sarcophaser, einem Spiel meines Freundes Andreas von Lepel, wo ich die Grafik und Leveldesign gemacht habe, kam ich dann in den Kontakt mit Rainbow Arts und arbeitete für die in den Semester-Ferien. Ich besorgte mehr Spiele für Rainbow Arts durch meine Kontakte in die Szene. Irgendwann fragte mich dann der Chef, Marc Alexander Ullrich, warum ich studiere, und machte mir ein Angebot, was ich nicht ausschlagen konnte, und war plötzlich Entwicklungsleiter, verantwortlich für alle Projekte der Firma.

AGF:

Welche Aufgaben hattest du genau bei Rainbow Arts?

Teut

Das kam auf das Projekt an. Viele der Spiele wurden von Teams außerhalb erstellt, die meisten von Studenten, Schülern oder Hobbyisten. Diese zu koordinieren, das Projekt “in time” fertig zu bekommen und die Qualität zu sichern, war damals etwas schwerer als heute, schließlich hatten wir nur Telefon und Brief …

Einige der Spiele habe ich designed, wie zum Beispiel X-Out. Meistens war das Design aber Teamarbeit, wie zum Beispiel MUDS oder Apprentice.
Damals waren die Spiele noch etwas übersichtlicher vom Aufwand, sodass ein Designer noch kein Ganztagsjob war.

Neben diese Projekt-Aufgaben war ich noch der Kontakt zu den Vertriebspartnern, also Firmen, deren Projekte wir in DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) vertrieben haben. Darunter EA, MicroProse, Lucasfilm Games, SSI u.v.m. Daher kommen meine ganzen
USA-Kontakte.

AGF:

Welche waren die bedeutendsten Titel für Amiga, an denen du beteiligt warst? Und welche waren dir besonders wichtig, oder lagen die am Herzen? Auch in Nachhinein betrachtet.

Teut:

Also von der Fanpost und Reaktion waren das bestimmt Apprentice, MUDS, Katakis, Turrican und das Kelloggs-Spiel, das aber nach Rainbow Arts entstanden ist. Aber meine Beteiligung war wohl an Katakis C64 am kleinsten. Amiga wenig mehr, Turrican war ich nur auf Amiga und C64 in der ersten Hälfte zuständig, bevor ich es an den Producer Julian Eggebrecht abgegeben habe.

Übrigens, der Grafiker des Kelloggs-Spiels und Co Designer, war derselbe wie bei MUDS und Grand Monster Slam. Ein Talent, was Grafik, Game-Design und Leveldesign beherrschte.

Besonders wichtig war mir MUDS. Es war das teuerste Projekt von Rainbow Arts, weil Lucasfilm es weltweit vertreiben wollte (!). Zum Vergleich: die meisten Amiga Titel kosteten 20 – 30.000 DM, MUDS hat fast 600.000 DM gekostet. War es trotzdem ein Erfolg? Aber ja, 86.000 Stück zum Vollpreis verkauft, machten fast 2.5 Mio. Umsatz für die Firmengruppe. Dazu kamen noch Budget, Vermarktung, Bundles usw.

So ein großes Team hatten wir selten an einem Spiel. Zudem war es gerade auf PC damals eine technische Meisterleistung. 60Hz Scrolling, Digitalsound über den piepsigen Speaker und die Tiefe. Ein Vorläufer moderner Sport-Manager, würde ich sagen. Jeder einzelne an dem Projekt hat Großartiges geleistet. Und wir haben schöne Erinnerungen daran.

Und das Spiel ist nur ein 1,2 MB-E-Mail-Anhang und läuft heute noch sehr gut in einer
DOSBox 🙂

AGF:

Du hast damals die Jungs von Factor 5 ins Rainbow-Boot geholt. Wie lief die Sache ab, wie kam es dazu?

Teut:

Es gab ein Nerd-Treffen in Köln. Ich nenne es mal so, weil Cracker-Treff trifft es nicht ganz, auch wenn wir Spiele getauscht haben. 

Ich programmiere gerade ein R-Type Clone, mein damaliger Lieblingsautomat. Ein anderes Team hatte auch einen, und wir verglichen. Meiner sah besser aus aber lief nur in 25Hz, deren lief in 50Hz.

Als Rainbow Arts mich nach neuen Projekten fragte, habe ich dieses Team gefragt, ob sie Lust haben, das Spiel für uns fertig zu machen. Und da sie sich einen Namen in der Cracker- und Demoszene gemacht haben, suchten sie ein Namen für ihre kommerziellen Spiele (was ja verpönt war damals in den Kreisen). Sie nannten sich Factor 5, wobei es mehr als fünf waren, wenn man die Teilzeit Mitarbeiter unter dem Freundeskreis mitzählt, die heute noch aktiv die Fanszene unterstützen.

Da wir ein Solo-Amiga-Projekt schlecht vermarkten können, (Marketing-Kosten nur für ein Format) kam Marc Ullrich auf die Idee, das als Katakis-Amiga zu vermarkten und mit dem Manfred Trenz Shooter Katakis gleichzeitig zu vermarkten. Deswegen waren die zwei Spiele trotz gemeinsamer „Vorlage” so unterschiedlich.

Nach Katakis beauftragten wir Factor 5 mit der Turrican Amiga-Umsetzung, dem Folgeprojekt von Manfred Trenz. Zu dem Zeitpunkt hatte ich so viele Projekte, dass ich Hilfe brauchte und drei Producer angestellt: Boris Schneider, Martin Gaksch und Julian Eggebrecht. Da Julian Action affin war, gab ich ihm Factor 5 als Projekt – der Rest ist Geschichte.

AGF:

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den teilweise sehr jungen Entwickler-Teams?

Teut:

JA das war ein Problem. Da mussten wir per Telefon und Brief junge Teams steuern, ein Produkt abzuliefern. Das dauerte echt lange und hatte viel „lag”. Mit den meisten machte man aus, dass sie regelmäßig vorbeikamen, aber bei manchen half das nicht. Da gab es dann Geschichten, die sehr merkwürdig klingen heute, aber man musste ja ein Projekt fertig machen. Die krasseste Geschichte landete dann vor Gericht, wo sich die Firma dann gegen die Eltern verteidigen musste. Aber Details erspare ich euch.

AGF:

Rainbow Arts hatte damals sogar bei Aldi seine Spiele verkauft, muss doch ein gutes Geschäft gewesen sein. 

Teut:

Um gegen den Zeitdruck der Raubkopien zu gewinnen, mussten wir schnell auf breiter Fläche die Spiele verkaufen. Denn nach paar Wochen ging nix mehr, sobald die Raubkopie überall verfügbar war. Das dauerte so 4 – 6 Wochen. Daher waren einige Titel bei Aldi gelistet. Das Problem war, wenn der Titel zu spät kam und rechtzeitig in den Regalen bei Aldi lag, schickte jede der Aldi-Filialen eine Abmahnung. Bei hunderten von Filialen war das teuer und konnte schnell zum Ruin führen. Daher ja, wenn alles glatt ging, war es gut, wenn etwas schief ging, war der Profit der vergangenen Titel dahin.

Teut Weidemann Ende der 80er.

AGF:

Wie kritisch saht ihr damals die Hacker- und Kopierszene?

Teut:

Die meisten Teams, die an Spielen werkelten, waren ja aus der Szene. Das war so ein seltsames Miteinander und Gegeneinander. Da benutzten wir Spezialisten aus der Szene, unseren Kopierschutz zu verbessern, und die Szene lieferte sich einen Wettbewerb, wer zuerst eine lauffähige Kopie in den Umlauf brachte. Das war schon eine komische Situation.

Wenn man die Seite wechselte, also kommerzielle Spiele schaffte, wurde man von der Szene nicht gerade gelobt. Sucht mal nach dem Interview Radwar – Grafenreuth – Weidemann auf YouTube, da merkt man ein bisschen den humorvollen Umgang.

Dass es hier um ein Geschäft ging, und der Lohn der Mitarbeiter auf dem Spiel stand, war der Szene nicht so klar. Schließlich war die Industrie jung und unerfahren. Beide Seiten lernten, was dies bedeutet.

Jedoch basiert ein Großteil der Industrie immer noch auf diesen Talenten. Gerade Finnland, als Beispiel, lobt immer wieder ihre Historie in der Szene und Demoszene. Und dass es Teil des Erfolges ihrer Spiele-Industrie sei.

Unsere Taktik war Geschwindigkeit: Das Spiel auf so vielen Plattformen (C64, Amiga, Atari ST, Amstrad, Spectrum, später auch PC) gleichzeitig europaweit in den Laden zu stellen. Das synchron hinzubekommen, war schwer. Ein Fehler, und der Umsatz eines Landes fällt weg, weil die Kopie schon da war.

Sobald dies der Fall war, schnell in das Budget-Segment und danach in die Drittvermarktung (Bundles, Zeitschriften, etc.). Nur so ging es.

AGF:

Wie siehst du heute deine Zeit bei Rainbow Arts?

Teut:

Also wir wussten damals ja alle nicht, was wir tun. Wir lernten am Job. Es gab keinerlei Erfahrungswerte, auf die man bauen konnte. Das war sozusagen unsere Ausbildung. Und es war klasse, denn man konnte experimentieren, zusammen Ideen beisteuern und probieren. Denn Fehlschläge waren günstig: Spiele kosteten damals paar Zehntausend DM zur Entwicklung. Heute sind das hunderte von Millionen für Blockbuster. Da ist das Risiko viel größer.

Ich zehre immer noch von den Lektionen von damals. Und da man sein Hobby zum Beruf machte, war man immer am Arbeiten, aber hatte riesig Spaß und nie Stress – denn sonst wäre es ja kein Hobby.

Nur damals wussten wir alle nicht, was für Pioniere die Teams damals waren. Das merkte man erst viele Jahre später. Und klar, heute ist man stolz drauf, und sicherlich alle, die damals an den Hits gearbeitet haben, denken gerne an die Zeit zurück.

AGF:

Warum hast du Rainbow Arts nach drei Jahren verlassen? 

Teut:

Rainbow Arts hatte drei enge Freunde als Führungsmannschaft: Marc Ullrich als Geschäftsführer, Bernard Morell als Produktionsleiter und mich als Entwicklungsleiter. Es gab dann da eine Frauengeschichte, die die Freundschaft des Trios störte – unabsichtlich – aber ich heiratete sie später und bekam vier Kinder . Details erspare ich euch mal 🙂 

AGF: In dieser Ausgabe des Amiga Germany Fan‘Zine gibt es auch einen Bericht über „Apprentice“, bei dem du sehr stark beteiligt warst. Wie wichtig ist dir heute dieser Titel, was verbindest du mit ihm?

Teut:

Es gibt nur ein paar Titel, von denen ich heute Fanpost bekomme. Und Apprentice gehört erstaunlicherweise dazu. Denn es war ein Nischen-Release, eine Not-Produktion auf Basis fertiger Grafiken, nie gedacht dazu, so ein langes Leben zu haben. Dementsprechend ist man stolz drauf – aber auch hier erkannten wir erst viel später, was den Titel so speziell machte. Damals nicht. Die anderen Titel sind übrigens Katakis, Turrican, X-Out und MUDS

AGF:

Du hast viel mit Manfred Trenz zusammengearbeitet.  Dass er ein Genie in Sachen Spielentwicklung war, ist unumstritten, aber was war er für ein Mensch? Kannst du irgendetwas über ihn erzählen? 

Teut:

Manfred war kein Teamplayer. Er war immer bockehrlich, egal wem gegenüber. Die Geschichte, die ich immer noch gerne erzähle ist, dass ein Geschäftsführer eines Partnerunternehmens in sein Büro kam und irgendwas über sein Projekt, an dem er arbeitete sagte, und Manfred ihn einfach rausschmiss. Andere würden dafür gefeuert werden, aber Manfred war halt das Solo-Genie. Schwierig – aber gut.

Er wollte alles besser machen können als die Kollegen – und tat dies auch. Er startete als Grafiker, brachte sich Programmieren bei, weil er sich über die anderen aufregte, es nicht gut genug zu tun. Und sein erster Titel war Katakis C64. Krass, oder?

Bei Turrican wollte er alles besser machen, Programmieren, Grafik etc. Es war schwer, ihn zu überreden, Hilfe anzunehmen wegen dem Zeitdruck, daher gab es ein paar, die da mitmachen durften, sozusagen.

Als die Teams wuchsen und Teamarbeit notwendig war, ein Spiel zu machen, war es schwer für Manfred. Er fand dann paar Jahre auf Gameboy seine Solo-Arbeit. 

AGF:

Hast du heute noch mit einem Teil der Jungs von damals Kontakt? 

Teut:

Ja, dank Social Media. Factor 5, klar, mein Patenkind ist da Lead Artist, dabei sollte er bei denen nur ein Praktikum machen. Zu Boris Schneider, Andreas Escher und anderen pflegt man halt Kontakt ab und an, aber die Entfernung macht es schwer. Da sind Konferenzen und die Retro-Messen gut, aber dank Corona gibts die auch nicht mehr.

X-Out

AGF:

Bedeutet dir der Amiga heute noch etwas, hast du noch einen? 

Teut:

Also leider nein, ich hatte ja damals einen der ersten Amiga 1000 in Deutschland, und ich habe dadurch den ersten Test in dem 64er Magazin geschrieben. Den habe ich irgendwann blöderweise verkauft. Aber den Commodore SX64, auf dem ich viel programmierte damals, den habe ich noch, und der rennt noch wie damals perfekt.

AGF:

Was war/ ist besser, Spiele entwickeln damals oder heute? 

Teut:

Egal eigentlich, denn das Interessante an unserer Branche ist, dass es nie langweilig wird. Immer wieder passiert was Neues, was alles über den Haufen wirft. 3D, CD-ROM, DVD, Konsolen, Internet, F2P, Mobile usw. Und ich finde es klasse, dass selbst heute noch kleine Teams beweisen können, dass man mit wenig Hits bauen kann. Siehe Steam-Indie-Titel oder manche Mobile Games. So muss das.

AGF

Was vermisst du an heutigen Spielen und was gar nicht? 

Teut:

Mut. Damals konnten wir machen, was wir wollen. Da gab es keine Marktforschung, Zielgruppen Analysen, Best Practices. Aber dank der Indies ist der Mut zurück und zeigt, was wir noch können. Survival oder Battle Royale zum Beispiel wäre nie ohne Indies so groß geworden. 

Was ich nicht vermisse, ist der Kampf mit Raubkopien. Dank online ist man da sicher.

AGF:

Die drei besten Spiele aller Zeiten? 

Teut:

Die Ultima-Serie. Weil sie als Erstes zeigte, was RPG’s sein können. Elite. Weil es das erste Universum auf einem 64kb Rechner war. 

Mario 64, weil es alle Standards setzte, wie 3D-Spiele zu funktionieren haben und heute noch seinen Einfluss zeigt.

Also die drei von damals. Bis heute wäre die Liste anders und müsste Meilensteine, wie Dark Souls, ICO, DayZ, Shadow of the Colossus, Breath of the Wild, u.v.m enthalten. Halt Spiele, die starken Einfluss auf die Industrie hatten.

AGF:

Als was und wo arbeitest du heute? 

Teut:

Ich bin Creative Director bei Stratosphere Games in Berlin und arbeite an Homeworld Mobile, basierend auf der IP von 1999. Halt nur als Online-MMO auf Mobile 🙂

Daneben berate ich immer noch Firmen in Online Game Design und F2P, wie zum Beispiel Remedy, Jagex, u.v.m.

Apprentice

Zusätzliche Fragen zum Amiga Spiel Apprentice:

 

AGF:

Es ist ein Spiel mit Realtime-Welten?

Das heißt, wenn ich hier ein Kiste ablege, steht sie später auch noch dort. Hatte sich das einfach so ergeben, oder war das ein Grundkonzept des Spiels? Mir ist das damals gar nicht aufgefallen.

Teut:

Das kam aus der Notwendigkeit nach der Idee, “hey lass uns den Spieler Kisten schieben und bauen”. Da der Spieler dadurch Kisten aus dem sichtbaren Bereich kicken konnte, musste man diese nachhalten. für den Programmierer Axel Hellwig war das ein Wochenende Arbeit und fertig war‘s. Ein Genie-Trick hat ihm da geholfen.

AGF:

Wie kam die Idee mit den Kisten zustande? 

Teut:

Wir hatten die Kisten als fertige Grafik und benutzten diese nur als Level-Element. Irgendwann konnte man sie kaputtmachen, und irgendwann kam die Idee, dass der Spieler sie kicken konnte. Warum auch nicht tragen? So kam das zustande.

AGF:

Wurde das Spiel durch etwas inspiriert? 

Teut:

Ja klar, durch alle Jump’n Runs der Zeit. Mario war da sicher eines von vielen. Emerald Mine (Schieb Schieb) und Sokoban.

AGF:

Axel Hellwig lebt ja leider nicht mehr.

Wir würden das gerne erwähnen, und ihm irgendwie diesen Beitrag widmen. Ist es ok, wenn wir kurz was über ihn erzählen, wie er so war, was seine Motivation und Inspiration war? Wann er gestorben ist. An was, ist nicht unbedingt wichtig und nötig. Du entscheidest, was erzählt werden soll, und was ok ist.

Teut:

Axel war ein sehr guter Programmierer und war dabei ein normaler Mensch geblieben, mit dem man abends essen gehen konnte. Das klingt seltsam, aber damals waren die meisten Nerds, die nicht unter Leute gingen, abends eher vor dem Rechner saßen. 

Axel war ein „dufter Typ”, wie ihn jemand nannte. Und wir arbeiteten gerne mit ihm. Er war zudem im Gegensatz zu vielen anderen zuverlässig und immer bereit, was extra zu tun.

AGF:

Was hast du genau am Spiel gemacht?

Teut:

Produktion, Lead-Game-Design, Organisation, QA und Mastering. 

AGF:

Wer ist T.V. Rappe? Der wird als Grafiker angegeben? Keiner weiß, wer er ist. 

Teut:

Er ist, soweit ich mich erinnere, der Bruder von Olaf Rappe, der zum Beispiel den
Volleyball- Simulator programmiert hat. TV arbeitete an mehreren Grafiken, aber konnte schwer eigenes bauen. Er war aber sehr gut, Vorhandenes zu editieren, modifizieren und einbaubar ins Spiel zu machen. Da die Grafik von Apprentice fertig geliefert wurde, war er genau dafür perfekt.

AGF:

Wie lange habt ihr für die Entwicklung das Spiels gebracht

Teut:

Gute Frage, weiß ich nicht mehr, aber selten hat ein Spiel hat länger als sechs Monate gedauert. Rekord war R-Type Amiga in 3.5 Monaten. Am längsten war Rock’n Roll
(ein Jahr) und MUDS (glaube 1.5 Jahre?)

AGF:

Wie erfolgreich war es? 

Teut:

War ok, sag ich mal. Die Kosten waren ja übersichtlich, mit nur zwei Mitarbeitern. Und meine Kosten wurden ja auf alle Projekte umgelegt. Da man auf jeden Fall 10.000 Stück verkaufte, kamen da 1 – 200.000 DM rein. Profitabel auf jeden Fall, Hit eher weniger. Ich glaube, wir hätten es auf mehrere Plattformen bringen müssen und besseres Cover machen sollen.

AGF:Gibt es irgendwelche Anekdoten zum Spiel? 

Teut:

Das Einzige war, wie es zu dem Projekt kam. Ein Freund des Geschäftsführers, Marc Ullrich, hatte sich Geld geliehen und konnte es nicht zurückzahlen. Dafür hat er einfach ein paar 3.5” Disketten mit Grafik hingelegt. 

Marc Ullrich gab mir die Disks und sagte einfach “Teut mach ein Spiel draus”. So kam es zu Apprentice. Die Grafik war Inspiration und gleichzeitig auch der limitierende Rahmen, in dem wir uns bewegen mussten.

Die Besten kamen Jahre danach, als mich Leute nach dem Spiel fragten, und ich so: “WTF, ich hab 70+ Spiele für Rainbow Arts produziert, und ihr fragt nach Apprentice?”. Das war schon cool.

Das wars. Wir danken dir für dieses Interview. Es war uns eine Ehre!