Interview mit Andreas Escher

 

Interview mit Andreas Escher

Er war Grafik bei Softgold/Rainbowarts und unter anderem auch für Turrican 2 verantwortlich.

AGF: Hallo freut mich sehr, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Man könnte meinen, dass bereits alles über Turrican gesagt wurde, aber schauen wir mal.

Andreas:  Ja hallo, anscheinend ist es dem wohl nicht *zwinkernd*, sonst würde wir hier ja nicht talken ^^

AGF: Die übliche Frage, aber sie ist immer wieder interessant. Wie bist du zur Grafikerstellung und zum Spieleentwickler geworden? Wie fing alles an, wie habt ihr euch gefunden? Erzählt einfach mal.

Andreas:  Damals 1987 war es so das Rainbow Arts einen Grafiker zur Verstärkung gesucht hat. Manfred hat mir angeboten einfach mal mit nach Gütersloh zu kommen und mir das Ganze einfach mal unverbindlich anzuschauen. Obwohl ich denke das er sich schon dachte das klappt eh. Am Ende waren es 2 Grafiker in der engeren Auswahl und schlussendlich hab ich das Rennen gemacht.  Gut ich hatte schon vorher ein sehr gutes Verständnis für Grafik, nämlich durch meine Passion fürs Technische Zeichen.

AGF: Wie hast du Manfred Trenz kennengelernt. Ward ihr gleich ein gutes Team. Ihr habt ja für den C64 einiges gemacht.

Andreas:  Bevor ich mit Manfred zusammen bei RA gearbeitet habe, waren wir sehr schon lange befreundet. Manfred wohnte bei mir gerade ums Eck. Wir beide hatten diesen Faible für Computerspiele bzw Arcadegames und waren oft in Spielhallen unterwegs. Lieblingszock damals „Defender“. Ich denke schon, da wir vorher schon ein sehr gutes Team waren, hat sich das natürlich im Entwicklungsbereich fortgesetzt.

AGF: Die Umstellung auf Amiga muß grandios gewesen sein, was die grafischen Möglichkeiten anging, im Vergleich zum C64. War es für dich der Wahnsinn, oder hat dich vielleicht sogar das Reduzierte gereizt beim C64?

Andreas:  Also Grafiken für de Cevi zumachen war schon eine Herausforderung. Aber die spätere Umsetzung von Turrican 2 auf den Amiga hat mir riesigen Spaß gemacht, alleine die Farben…die meiner Lieblingskonsole, dem MegaDrive sehr nahe kam. Obwohl in der Umkehr den Port Amiga auf den C64 von zB X-Out auch wieder eine Herausforderung war. Irgendjemand hatte mir mal den Beinamen „ The living digitizer“ gegeben.

AGF: Wie wurde die Amiga Version grafisch und leveldesignmäßig übernommen. Komplett bei Null anfangen oder war etwas von der C64 Version nutzbar?

Andreas: Grundsätzlich wurden die grafischen Sourcedaten vom C64 übernommen. Also zum Beispiel die Moduliste, also die Grafik für die Levels, die ich dann auf dem Amgia grafisch angepasst habe.

AGF: Das Chris Hülsbeck den Sound machte, war Ehrensache. Die Tracks von Chris sind legendär, und mit den Turrican-Tracks wie “Desert Rocks”, “Great Bath” oder “The Wall” hat Chris Meilensteine gesetzt. Wie war das, als du die Tracks zum ersten Mal gehört habt? Hättet ihr gedacht, dass sie einmal so einschlagen würden?

Andreas:  Die Tracks haben mich vom Hocker gehauen, anders kann man es nicht sagen. Ich schwelge heute noch immer hin und wieder in seiner Musik.

AGF: Wie lief die Entwicklung? Gab es Probleme in irgendwelchen Bereichen? Was war am schwierigsten umzusetzen?

Andreas: Also im grafischen Bereich hat es eigentlich wenig Probleme gegeben. Eher mal im Programmtechnischen, aber Holger hat das glänzend gelöst und Turrican 2 Amiga zu dem Spiel gemacht, was es heute ist.

AGF: Die Japaner waren immer Trendsetter in der Spieleindustrie. In Deutschland kamen Spiele wie “Apidya”, “GemX” und “Turrican” mit Manga-Intros und Spielefiguren heraus. Wie standest du zum Style und wie war die Resonanz der Japaner auf Turrican, oder habt ihr da überhaupt etwas mitbekommen?

Andreas: Ich so als alter Mangafan fand die Stile schon sehr cool, das sieht man ja einigen Grafiken bei Turrican2 wie zum Beispiel der „Indianer“. Von der Resonanz bekam ich so gar nichts mit, weil ich eh gedacht das geht eh nicht über Europa hinaus.

AGF: Besonders Rainbow Arts ist dafür bekannt, dass gerne bei anderen Spielen abgeschaut wurde. Auch Turrican ist da keine Ausnahme. Metroid und Psycho-Nics-Oscar sind zweifellos Vorbilder für Turrican, trotzdem wurde daraus etwas Eigenes. Viele Elemente wurden zusätzlich abgeschaut, sei es der Stachelobelisk aus Toki oder die Alienwelt, die von H.R. Gigers Alien inspiriert ist. War euch das Abschauen (Inspirieren) immer vollkommen bewusst, egal, oder vielleicht sogar ein wenig ein Spaß bis zu einer Provokation?

Andreas:  Ach das Inspirieren *lach*, warum soll man manchmal das Rad neuerfinden? Bewusst… egal, gefällt wird eingebaut. Das man halt mal einen auf den Sack bekommt siehe Katakis, ja shit happend oder gesagt no risk no fun. Ausserdem ich würde mich auch geehrt fühlen wenn von meiner Art anleihe genommen würde. Danke nochmal H.R. Giger für deine einzigartige Kunst.

 

 

 

 

 

 

 

AGF: Turrican 3 wurde dann zwar von Factor 5 entwickelt, aber das Team war ein vollkommen anderes. Böse Frage, aber warum warst du und Manfred nicht mehr dabei. Womöglich weil es eine reine Factor 5 Entwicklung war?

Andreas: Ich hab zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei Softgold bzw in der Gamesbranche gearbeitet. Da hab ich letztendlich nicht mehr viel mitbekommen.

AGF: Turrican wurde dann auf dem SNES mit Super Turrican fortgesetzt. Es sah etwas anders aus, bunter, weniger düster, aber technisch brillant. War die Technik des SNES wirklich so viel besser als beim Amiga? War es für euch eine Erfüllung eines Traums, endlich für Konsolen zu entwickeln?

Andreas:  Die Konsolenteilen von Turrican haben schon irgendwie ihr Daseinsberechtigung,  obwohl mir persönlich größere Level mit run and seek besser gefallen, als nur von links nach rechts laufen.

 

 

 

 

 

 

 

AGF: Wie erfolgreich war Turrican wirklich, wirtschaftlich gesehen? Wie viel wurde von den jeweiligen Teilen verkauft?

Andreas: Über die letztendlichen Verkaufszahlen habe ich gar keinen Überblick. Nur so viel das die Verkaufszahlen eher mau waren, woran aber auch die Raubkopierer ihr Päckchen daran mitgetragen haben.

AGF: Im letzten Jahr ist eine AGA-Version von Turrican 2 für den Amiga erschienen. Wie gefällt euch die Version, auch grafisch? Und die Idee, die versteckten Drohnen im Spiel zu finden als eine Art Trophy Hunt? Natürlich wünschen wir uns alle eine Turrican 3 AGA, quasi ein Mega Turrican für Amiga.

Andreas: Die AGA-Version ist nicht mein Ding. Die hat meinen Stil kaputt gemacht und  passt grafisch nicht mehr zu Turrican..ich werf nur mal den „Indianer“ in die Runde. Es gibt einfach nicht mehr meine Interpretation von dem Spiel wieder. Verstand auch nicht bis heute das man mich damals mich einfach mal angesprochen hatte.

AGF: Welches war für dich der beste Turrican-Teil?

Andreas: Ganz klar Turrican 2

AGF: Was war los mit Turrican 3D, wie weit war das Spiel wirklich entwickelt? Hätte es ein echter Kracher werden können, oder funktionierte das Konzept nicht wirklich in 3D? Ist es vielleicht sogar gut, dass dieses Spiel nie erschien? Wie ging Trenz mit der Sache um? Es war sicher ein Rückschlag für ihn.

Andreas:  Darüber hab ich leider zu wenige Infos um mich darüber äußern zu können.

AGF: Zu guter Letzt. Als bekannt wurde, dass wir Turrican als Titelthema haben, wurde wir gefragt, ob nicht zu Turrican oder Factor 5 schon alles gesagt worden sei? Was wissen die Leser definitiv noch nicht? Was ist das größte Geheimnis um Bren McGuire oder Factor 5?

Andreas:  Man kann aber langsam davon ausgehen, das wohl mittlerweile alles gesagt wurde… wenn nicht jetzt wann dann 😉

AGF: Wenn es ein Turrican 4 geben würde, wie würdest du dir das wünschen, oder vorstellen?

Andreas:  Ich glaube für Turrican 4 ist der Zug schon lange abgefahren…jedes weitere  Turrican würde wohl den damaligen Zeitgeist nicht mehr treffen.

AGF: Danke für dieses umfangreiche Interview. Es ist uns eine Ehre, und diese Geschichten müssen einfach festgehalten werden. Ihr habt mit euren Spielen wirklich etwas erschaffen, was bleibt. Danke.

Andreas:  Vielen Dank für die Blumen und the last famous words „Katakis lives“

Interview: Martin Becker – Tino Menzner

 

Interview mit Frank Matzke

 

 

 

 

 

 

 

Interview mit Frank Matzke im Bezug auf seine Arbeit zu Turrican.

Der legendäre Grafiker von Apidya und Mega Turrican.

AGF: Wie hast du Turrican zuvor wahrgenommen, insbesondere da du erst ab Teil 3 bzw. Mega Turrican involviert warst? War es für dich etwas Besonderes, ein so bedeutendes Spiel fortzusetzen?

Frank: Absolut. Ich war zwar kein großer Fan des Ur-Turricans, aber Teil 2 hat mich wie potenziell jeden Amiga-Fan damals aus den Socken gehauen. An der Serie mitarbeiten zu dürfen hat mich sehr gefreut. Chris hat die letzten Musiken und Soundeffekte noch bei meinen Eltern im Keller finalisiert. Das war also alles noch recht am Anfang.

AGF: Wie kam die Zusammenarbeit zustande? War Kaiko zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte?

Frank: Nein, das war mittendrin. Aber so ganz genau kann ich mich nicht mehr dran erinnern … Julian hatte meine Apidya-Sachen damals gesehen (bei einem Besuch von Chris im besagtem elterlichen Keller) und wie immer brauchten wir Geld, da kam das Angebot nach Apidya gerade zur passenden Zeit. Chris hat damals auch für andere Teams komponiert, und da habe ich mir das auch alles parallel zugetraut. Aus heutiger Sicht ein bisschen verrückt, aber früher war ich potenziell schneller?! 😀

 

 

 

 

 

 

AGF: Das Team war etwas anders aufgestellt und unterschied sich auch von der Amiga-Version. Thomas Engel war für die Megadrive-Version verantwortlich, während Peter Thierolf die Amiga-Version umsetzte. Wie verlief die Entwicklung? Zuerst die Megadrive-Version, dann die für Amiga? Die Entwicklung verlief sicherlich mehr oder weniger parallel. Wie stark warst du überhaupt an der Amiga-Version beteiligt, oder wurde die Grafik lediglich reduziert? Wie gestaltete sich die technisch-organisatorische Koordination zwischen den beiden Teams?

Frank: Ganz ganz zarte Anfänge gab es auf dem Amiga, aber so richtig wurde MT/T3 erst auf dem Mega Drive entwickelt. Thomas programmierte, Willi half zusätzlich aus und Lutz baute Levels. Die Musik kam wie gewohnt von Chris, der zum ersten Mal auf der Hardware arbeitete. Technisch basiert das MD zwar auch auf einer 68000er-CPU (wie unsere ‚Freundin‘), aber ansonsten sind die Unterschiede zu groß, sodass Peter viel Code für T3 neu schreiben musste. Der Release der MD-Fassung verzögerte sich leider stark, sodass es irgendwann wieder sinnvoll erschien, Rainbow Arts auch eine Amiga-Version anzubieten, die im besten Fall parallel fertig sein konnte. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns dann leider zerstritten und Peter hat Kaiko verlassen und T3 dann einfach als ‚Freier‘ fertig gemacht. Meine Grafiken hat Ramiro Vaca (ein weiterer Rainbow-Arts-Veteran, der mittlerweile nach Chris auch zu uns gestoßen war) dann für den Amiga-Einsatz umgesetzt. Da mussten viele Kompromisse gemacht werden, weil die Grafik einfach nicht von vornherein auf die technischen Limitation des Computers ausgerichtet war. Auf dem MD hat man u.a. massig Sprites und zwei Hintergrundebenen zur Verfügung. Alles Fähigkeiten die man zwar auf dem Amiga reproduzieren kann, aber auf einem OCS-Gerät eben nur mit großen Abstrichen. Immerhin konnte Peter das ‚Zoomen- und Rotieren‘ von Objekten direkt im Game auch auf dem Amiga nachbauen. Trotzdem spielt sich auch T3 sehr gut, finde ich – es ist halt bloß nicht direkt vergleichbar mit dem zweiten Teil und man sieht ihm an, dass es ein Port ist.

 

 

 

 

 

 

 

AGF: Gab es Vorgaben hinsichtlich Design und Gameplay? Wie viel Freiraum hattet ihr? Wie stark war Julian in die Angelegenheit involviert? Im Allgemeinen unterscheidet sich Mega Turrican ja deutlich von Turrican 2.

Frank: Mega Turrican ist ein Factor-5-Spiel, und dementsprechend war Julian der Boss. Trotzdem war es diesmal mit Thomas, Willi, Lutz und mir ein völlig neues Team – wir wollten einfach ein anderes Turrican machen. Holger (der parallel Super Turrican auf dem SNES entwickelte) hatte bestimmt auch noch Ideen eingebracht. Die neue Ausrichtung gefällt nicht allen, aber ich glaube schon, dass das Endergebnis sich nicht zu verstecken braucht. Wir haben uns meist alle ein, zwei Wochen getroffen und ansonsten Grafiken per Diskette-in-der-Post getauscht – Email etc. gab es damals noch nicht. 😊

AGF: Hat sich Manfred Trenz in die Entwicklung eingebracht? Gab es dort Kontakt?

Frank: Manfred habe ich selbst ein paarmal getroffen (u.a. hat er den ersten Level von Apidya auf Anhieb durchgespielt – das hat mich umgehauen), aber mit Teil 3 hatte er gar nichts mehr zu tun. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass sich da jemand mit ihm abgesprochen hatte.

 

 

 

 

 

 

 

AGF: Warum der Enterhaken? Es brachte zwar frischen Wind, kam jedoch überraschend. War es letztlich eine gute Idee?

Frank: Ich weiß gar nicht mehr, wie die Idee zustande kam … ich glaube Julian wollte die neue Mechanik ausprobieren. Manchmal ist es ein bisschen hakelig, aber man kann sich schnell dran gewöhnen. Ich wünschte aber, wir hätten daraus eine „Energiepeitsche“ wie in Blazing Chrome gemacht. (Wenn ihr das nicht kennt – unbedingt ausprobieren!)

AGF: Wie bewertest du die Amiga-Version? Leider musste sie im Vergleich zur Megadrive-Version Federn lassen. War dies den beschränkten technischen Möglichkeiten des Amiga geschuldet oder war es eine weniger bedeutende Umsetzung? Technisch war Turrican 3 zwar sehr gut, aber es gibt einige Bereiche, die im Vergleich deutlich weniger gelungen erscheinen.

Frank: Wie oben schon gesagt – das Spiel war absolut nicht auf die Amigafähigkeiten ausgelegt. Peter und Ramiro haben extrem käpfen müssen, dass alles zumindest spielerisch intakt bleiben konnte. Aber eins ist klar: Ein ‚echtes‘ Amiga-T3 hätte anders ausgesehen. Trotzdem kamen Amiga-Spieler:innen noch vor den Sega-Gamer:innen in den Genuss des neuen Teils. Das war doch auch etwas!

 

 

 

 

 

 

 

AGF: Wie lief die Übernahme der Grafik von Megadrive auf Amiga.

Frank: Tatsächlich war das v.a. eine manuelle Fleißarbeit. Ramiro musste damals in der Praxis die 64 (4x 16) Farben des Mega-Drive-Originals in (für die allermeisten Assets)16 oder gar weniger Farben umwandeln (die transparenten Farben, damit der Hintergrund sichtbar ist, ignorieren wir an dieser Stelle einfach). Dadurch wurde es extrem schwer, Farben für Standardeffekte (Explosionen. Extrawaffen-Container o.ä.) bereit zu stellen. Auf dem MD konnte ich dafür bspw. eine ganze 16-Farb-Palette dafür reservieren (inkl. des Player-Sprites). Bei Turrican 2 bspw. war die gesamte Grafik so angelegt, dass zu jeder Zeit immer die ‘richtigen’ Farben zur Verfügung standen – das war auf einem OCS-Amiga so halt nicht direkt nachbildbar. Aus heutiger Sicht und v.a. mit mehr Zeit (bitte nicht vergessen: Wir mussten davon leben!) hätten wir damals sicherlich auch andere Kompromisse austesten können, die eventuell am Ende ein besseres Gesamtbild ergeben hätten. Ich konnte mich damals leider auch nicht miteinbringen, da ich schon an den Nachfolgeprojekten gearbeitet hatte.

AGF: Welche Ideen wurden bei Mega Turrican gestrichen? Ihr hattet sicherlich einige, die letztendlich dem Rotstift zum Opfer fielen.

Frank: Mit 8Mbit (1 MByte) hatten wir schon eine ganz ordentliche Modul-Größe, aber trotzdem war der Speicher im Vergleich mit vielen Mitbewerber-Spielen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung eher gering. Trotzdem kann ich ad hoc nicht sagen, dass wir viele Ideen streichen mussten – das war bei dem parallel entstehenden Super Turrican auf SNES mit nur 4Mbit ein ganz anderer Kampf.

 

 

 

 

 

 

 

AGF: Welches grafische Element gefiel dir am besten?

Frank: Kann ich gar nicht sagen – ich finde, dass das Gesamtwerk einfach schön rund geworden ist. Das war uns wichtig. Toll fand ich, dass Thomas in Echtzeit Sprites drehen und zoomen konnte. Ich weiß gar nicht, ob das vielen Spieler:innen damals aufgefallen ist (weil die Größe stark eingeschränkt war), aber ich fand es beeindruckend. Genauso, dass wir den „Transparenz“-Effekt genutzt haben – das war absolut unüblich. Da hätten wir sicherlich noch mehr mit machen können, denke ich.

 

AGF: Super Turrican war dann das erstes Super Nintendo-Turrican. Es erscheint dort bunter, weniger düster und eher im Nintendo-Stil. War die Designänderung gewollt, gefordert oder ergab sie sich einfach so?

Frank: Das ergibt sich auch schon durch die Farbpalette und -temperatur des SNES, dass alles irgendwie bunter aussieht. Aber ja, ST1 sollte sich stärker an den Originalen orientieren – und T2 auf dem Amiga war ja auch eher „bunt“ als düster. Das war also eine bewusste Entscheidung für einen anderen Look für die SNES-Fassung. Die sich ja aber sogar ein paar Grafiken mit der MD-Fassung teilt –  die wirken auf dem SNES aber ebenfalls weniger düster.

AGF: Super Turrican 2 wurde vollkommen anders. Linearer, eher wie Contra als Turrican. Grafisch und technisch jedoch ein Feuerwerk. Wie siehst du die Entwicklung von Turrican? War es der richtige Weg oder hat sich das Spiel zu sehr vom Grundgameplay entfernt?

 

 

 

 

 

 

 

Frank: Nach 30 Jahren beurteilt man sowas potenziell anders als damals – wir waren halt auch sehr große Contra/Probotector-Fans (Factor 5 hat ja bspw. sogar auch GameBoy für die Marke entwickelt). Damals fand ich die Neuausrichtung cool, aber ja, wir hätten potenziell uns eher am Original orientieren können, um die Hardcore-Fans mehr abzuholen. Aber auf dem SNES gab es davon potenziell ohnehin gerade in den USA nicht viele, sodass uns das damals nicht problematisch erschien. Und das Spiel selbst ist doch auch so ein schmucker Action-Kracher geworden, oder? Was ich ganz persönlich aus heutiger Sicht wirklich als Fehlentscheidung betrachte ist die orchestrale Musikuntermalung statt der typischen Power-Elektro-Hymnen. Aber auch da wollten wir es halt besonders wuchtig machen – und Chris‘ Soundtrack ist ja auch sehr spektakulär, nur eben auch ziemlich untypisch für Turrican.

AGF: Weißt du etwas über Turrican 3D? Gab es Gespräche oder war das ein alleiniges Projekt von Trenz?

Frank: Das kenne ich nur aus Anekdoten. Und Manfred hätte sich da sowieso sicherlich nicht reinreden lassen. 😊 Factor 5 haben ja auch an 3D-Konzepten gearbeitet, aber schlussendlich ist da ebenfalls nichts draus geworden. Aber wenn ich das an dieser Stelle sagen darf: Uns bleiben ja trotzdem noch ein paar richtig spannende 2D-Turricans, die auch heute noch Spaß machen. Es war toll, dass Strictly Limited Games die Spiele unlängst nochmal neu aufgelegt haben. Damit kamen auch wieder viele Erinnerungen an die frühen 90er zurück.

AGF: Danke für das Interview.

Frank: Sehr gerne.

 

Lionheart Das exklusive Grafik-Wunder für den Amiga

Extended Version

Lionheart

Keine Schöne und das Biest

Nur Online bei Amiga Germany Fan’Zine Mag+

Es gibt viele Dinge, in denen sich Videospieler von damals und heute unterscheiden. Ein wesentlicher Kontrast ist sicherlich, dass man sich bewusst ist, was eine Hardware zu leisten vermag. Wir hatten damals einen Sinn dafür, wann ein Spiel die sehr begrenzte Hardware beeindruckend nutzte und wann nicht. Heute macht sich das in Frameraten und der konstanten Aufrechterhaltung der Auflösung bemerkbar. Was die Technik der aktuellen Hardware wirklich bedeutet, weiß ein Fortnite-Zocker heute kaum noch. Es interessierter auch nicht und wird selten wirklich gewürdigt, was ein Spiel grafisch leistet. Weil ganz klar, die technischen Beschränkungen sind gewissermaßen verschwunden, und Spiele werden in der Regel mit fertigen Engines entwickelt. Die Resultate sind oft beeindruckend, es ist allerdings eine Selbstverständlichkeit geworden.

Unser Amiga hatte viele Spiele, die sicherlich weniger im Bereich der technischen und grafischen Leistung überzeugten. Aber gelegentlich beeindruckten einzelne Werke immer wieder mit grandiosen technischen Tricks, die geradezu Unglaubliches aus der Hardware kitzelten. Wer damals das erste Mal z. B. Shadow oft the Beast sah, staunte Bauklötze. Und auch von Jim Power war man beeindruckt, um nur zwei davon zu nennen.

1993 wurde dann aber alles auf dem Amiga absolut übertroffen, was man je zuvor gesehen hatte. Und rein gar nichts konnte danach dieses Spiel grafisch und vor allem technisch übertreffen.

Lionheart setzte nicht nur Maßstäbe, sondern machte fast das Unmögliche möglich. Aus der Sicht eines Programmierers muss man zwar sagen, dass auch Lionheart keine Wunder vollbringt, trotzdem hat es niemand geschafft, die Hardware so zu überlisten und optimal zu nutzen, wie die Entwickler dieses Spiels das geschafft haben.

Alles fing an, als sich Anfang der 90er ein Österreicher und ein Niederländer zufällig trafen. Der junge Erwin Kloibhofer kam aus schulischen Gründen nach Holland und traf dort irgendwann einmal Henk Nieborg. Man kannte sich mehr oder weniger aus der Demoszene und hatte so die Möglichkeit, sich persönlich gegenüberzutreten. Die Chemie passte, die Interessen und die Begeisterungen waren die gleichen.

Erwin, ein fähiger Programmierer, Henk ein Grafiker, der einen einzigartigen Grafik-Stil mit der Zeit entwickelte. Schnell entschlossen sich beide, ein eigenes Spiel zu erschaffen. Erwin ging wieder zurück nach Österreich, so blieb nur der Kontakt über Briefe und gelegentlichen Telefonate. Reichlich umständlich, aber es funktionierte, gewissermaßen. Heraus kam dabei Ghost Battle. Die Qualität der Grafik war in der Tat sehenswert, noch nicht so ausgereift wie spätere Werke von Henk, aber man erkannte bereits den unverwechselbaren Style. Auch technisch konnte sich das Spiel sehen lassen.

Was aber überhaupt nicht passte, war das Gameplay. Unausgereifte Steuerung und allgemein sehr schlechtes Gamedesign. Ghost Battle ist ein Jump and  Run, man steuert den etwas seltsam anmutenden, muskelbepackten Hauptcharakter und erwehrt sich Unmengen von Gegnern, in dem man Steine schmeißt. Steine schmeißen als Hauptwaffe ist mal echt ne Idee. Urrg. Die Wertungen bewegen sich im 50 Prozent-Bereich. Dabei sieht es grafisch wirklich gut aus, man sieht auch bereits eine gewisse Ähnlichkeit mit Lionheart. Dieses Spiel kommt ein wenig wie der buckelige Vorgänger daher, den man lieber im Glockenturm versteckt.

Der Firma Thalion gefiel die Sache allerdings zumindest so gut, dass sie das Spiel der beiden Jungs veröffentlichten. Und nicht nur das, sie bekamen gleich einen Job in der Gütersloher Softwareschmiede. Thalion-Mitbegründer Erik Simon sah offenbar das Potenzial der beiden Jungs, welches er so groß einschätzte, dass er mit ihnen ein wahres Megaprojekt auf die Beine stellen wollte. Dieses Mal wollte er sich allerdings persönlich um das gesamte Gamedesign kümmern, damit so etwas nicht noch einmal passieren konnte, wie bei Ghost Battle.

Erwin und Henk zogen nach Gütersloh, sie bekamen jeweils ein Büro, das keine 8 m² maß, ohne Fenster. Wozu auch? Da die beiden jung, unproblematisch und pleite waren, schliefen sie auch in diesen Büros. Geld für eine Wohnung war nicht vorhanden. Jeder hatte eine am Tage an der Wand lehnende Matratze, die sie in der Nacht mit einem Schlafsack zum Schlafen nutzten, manchmal sicher auch andersherum. Tag abhängig. Geduscht wurde gelegentlich bei Erik privat. So sah das Leben der beiden die nächsten sechs Monate aus. Heute kaum vorstellbar, aber so war das damals. Zumindest hatten sie ausreichend Zeit zum Entwickeln und wenig Ablenkung. Natürlich haben die Drei das Spiel nicht allein erschaffen. Es gab da noch Michael Bittner, der die spektakulären Intros und
Extro-Sequenzen programmierte und zusätzlich für einige Gegner-Taktiken verantwortlich war. Für den epischen Sound war Soundgott Matthias Steinwachs zuständig, von ihm haben wir anschließend ein ausführliches Interview.

Hilfreiche Geister, wie sie genannt wurden, waren auch Matthias Mörstedt, der die Sound-Routinen erledigte sowie Wolfgang Breyha und Reinhardt Franz, ohne die beiden letztgenannten wäre es nicht möglich gewesen, dass dieses Spiel mit nur einem 1MB-Arbeitsspeicher laufen würde. Sogar der Turrican-Erfinder Manfred Trenz kam öfter vorbei und schaute nach dem Rechten. Auch er steuerte ein paar technische Kniffe bei.

Mit dem übrigen Thalion-Team stand man ebenfalls in engem Kontakt. Das Team war sehr familiär, man verbrachte viel Zeit zusammen und diskutierte über alles Mögliche. In der knappen Freizeit verschlang man zusammen Pizza, zockte Import-Games am Megadrive oder Neo Geo.
Spielhallen-Besuche standen ebenfalls auf dem Plan, natürlich nur zum Zweck der Inspiration. Für alle war es eine riesige und aufregende Sache, an diesem Spiel zu arbeiten. Ihnen war gleich zu Beginn bewusst, dass hier etwas Außergewöhnliches entstehen würde.

Auch Thalion Geschäftsführer Willi Carmincke ahnte, dass hier, aus wirtschaftlicher Sicht, ein viel zu großes Projekt angefangen wurde. Warum er dem zustimmte, wusste er später wohl selbst nicht mehr so genau. Aber Thalion war schon immer mit ihren Projekten knapp an der Wirtschaftlichkeit. Bei ihnen standen die Leidenschaft und der Wille im Vordergrund, etwas Besonderes zu schaffen, so auch bei Lionheart. Zumindest hoffte man, die Entwicklungskosten wieder einzuspielen.

Henk und Erwin in ihrem 8m² Büro.

Die Entwicklung begann im November 1991. Henk zeichnete die gesamte Grafik an seinem eigenen Amiga 500, der eine geringe Menge an extra RAM hatte und eine 20 MB Festplatte, mittels Deluxe Paint. Erwin hatte auf einen Amiga 2000 mit 20 MB Festplatte aufgerüstet. Programmiert wurde alles in Assembler. Der komfortable Level Editor wurde dann aber in C geschrieben. Mit dem Editor konnte sich Simon so richtig austoben. Allerdings wurde jeder einzelne Level wieder etwas angepasst. Gerade der Erste ist ein wahres technisches Meisterwerk und unglaublich komplex in der Programmierung. Da gab es einiges an Kopfzerbrechen.

Das Spiel nahm schnell Form an. Auf Messen, an welchen man Lionheart das erste Mal vorstellte, wollten viele nicht glauben, dass hier ein gewöhnlicher Amiga mit OCS Chipsatz die Arbeit erledigte. Man vermutete, dass es hier ein AGA-Spiel wäre. Aber nein, es war ein gewöhnlicher Amiga 500 mit 1 MB Speicher, mehr nicht.

Die Presse überschlug sich, und Lionheart wurde schnell zum hoffnungsvollen Megakracher, der die Spielhalle heimwärts holte und alles bisher Dagewesene übertraf.

Auch Thalion gab sich alles andere als bescheiden, sie waren sich durchaus bewusst, dass Lionheart etwas Besonderes werden würde. Die Entwicklung ging gut voran, bis Henk einmal versehentlich die Festplatte mit fertigen Leveln formatiert hatte, und Erwin pausenlos mit „Rhythm Is a Dancer“ alle in den Wahnsinn trieb. Der Song lief pausenlos und wurde nachgesungen, in wohl nicht so optimaler Qualität.

Trotz der guten Vorschritte konnte das angepeilte Datum, Dezember 1992, nicht eingehalten werden. Die Jungs arbeiteten hart und taten alles, aber es war einfach nicht möglich. Das sah Willi Carmincke anders. Er verlangte, dass Henk und Erwin Weihnachten komplett durcharbeiten sollten. Das war sehr frustrierend und eine persönliche Geringschätzung nach all der harten Arbeit. Dadurch kam der Gedanke auf, sich nach einer anderen Firma umzuschauen, sobald das Spiel fertig ist.

Lionheart wurde nach weiterer harter Arbeit fertiggestellt und erschien am 22.Januar 1992. Die Presse drehte wie erwartet durch, das Spiel bekam Höchstwertungen und wurde mit Auszeichnungen bombardiert. Es war unglaublich, was dort auf dem Amiga 500 lief. Die Grafik, der Sound, unfassbar! Nur, ist Lionheart letztlich wirklich so perfekt? Nicht ganz, aber fast. Legt man die erste der vier Disketten ein, präsentiert sich ein unglaublich mitreißendes und perfekt inszeniertes Intro. Der brachiale orchestrale Sound donnert aus den Boxen, perfekt abgestimmt auf das grafisch grandios dargestellte Optische. Wunderschöne fantasiereiche Landschaften, eine technisch toll umgesetzte 3D-Begehung eines alten Kerkers und das Besteigen eines flugbereiten Drachens. Viele Gründe, begeisternd zu staunen.

Was die Story selbst betrifft, sie ist recht politisch. Kurz gesagt, unser Held, der Katzenmensch Valdyn, wird vom König dazu verdonnert, das gestohlene Löwenherz – die heiligste Reliquie des Katzenvolkes – zurückzuholen. Dummerweise ist bei der Diebesaktion seine Geliebte zu Stein geworden. Es wäre also auch nur von Vorteil, wenn man sie nebenbei auch noch irgendwie retten könnte. Der Aufbruch zum Auftrag läuft aber alles andere als gut. Valdyn wird während seines Fluges mit dem Drachen von einem riesigen Luftschiff angegriffen. Seine Fluggelegenheit wird entführt, so muss er erst mal zu Fuß die Strecke zurücklegen.

An dieser Stelle beginnt das Spiel: Ihr findet euch im Sumpf wieder. Gleich am Anfang stockte sicher jedem der Atem, der diesen Level das erste Mal zu Gesicht bekam. Hier wird grafisch und technisch alles aus der Hardware gesaugt, was irgendwie möglich war, und auch einiges, was man kaum für möglich gehalten hätte. Da wäre das sechsfach unterschiedlich scrollende Dual-Playfield, das im unteren Bereich noch mit einem super sauber scrollenden Zeilenscrolling aufwartet. Man kennt diesen Effekt z. B. von Street Fighter 2 Arcade oder SNES. Hinzu kommt das grandios gepixelte Spielfeld selbst, welches mit einem raffinierten Farbverlauf überdeckt ist, der mehr Farben vorgaukelt. Zusätzlich kommt eine weitere Ebene für Wellen schlagendes Wasser im Vordergrund dazu. Das Ganze läuft alles, ohne zu zuckeln und zu haken, butterweich mit 50 Frames.

Level 1

Bei dieser Grafikpracht bleibt es jedoch nicht. Betritt man in diesem Level die verschiedenen Dungeons, ändert sich das Grafiksystem. Hier hat man zwar keine weiteren Ebenen im Hintergrund, dafür erstrahlt die Grafik aber mit 64 Farben im Extra Halfbrite Modus. Es sieht fantastisch aus und ist einfach nur düsterknallbuntperfekt abgestimmt. Henk hat sich hier richtig ausgetobt mit seinem unverwechselbaren Grafik-Design.

Was auch extrem auffällt, ist der tatsächlich perfekt passende Soundtrack von Matthias Steinwachs. Schon allein der erste Track fällt auf durch seinen umfangreichen Abwechslungsreichtum und seine mitreisende Melodien. Dieser Track wird nur übertroffen durch den des Turmlevels. Er gehört mitunter zum Besten, was man auf dem Amiga je hören durfte. Auch die anderen Tracks können sich absolut hören lassen und könnten nicht besser zur jeweiligen Kulisse passen. Beim Lionheart-Soundtrack handelt es sich nicht um den üblichen bekannten Soundstyle, den man von dem Amiga kennt. Hier ist es orchestralisch und mehr wie Filmmusik.  Also auch soundtechnisch wird hier einiges geboten. Die weiteren Level bestechen durch jeweils eigene Ideen und erzählen gewissermaßen die Geschichte des Spiels weiter.

Matthias Steinwachs, damals bei der Arbeit.

Nach dem besagten Turmlevel geht es ab in den Untergrund. Ihr betretet den beeindruckend gestalteten Lava-Level. Hier ist es wichtig, einen geheimen Ort zu finden, denn dort befindet sich ein Amulett, das euch am Ende des Spiels die Möglichkeit gibt, eure Geliebte, die zu Stein erstarrte, wieder zum Leben zu erwecken. Das ist nicht zwingend nötig, aber ohne Freundin ist halt auch blöd. Es gibt also zwei verschiedene Enden: Einmal bringt man seine Geliebte lebend zurück. Das andere Ende bringt einem bestenfalls eine dekorative Statue für den Vorgarten. Sobald ihr aus dem Untergrund emporgestiegen seid, sitzt ihr auf ein zweibeiniges Reittier auf und gelangt so auf das riesige Luftschiff, das euch zuvor überfallen hatte. Die Szene erinnert etwas an R-Type, bei welchem ebenfalls dieses übergroße Schiff vorhanden ist, das den ganzen Level beschäftigt. Auch hier haben wir tolle duale Playfield-Effekte im Hintergrund. Spätestens wenn man über den Baumkronen schwebt, ist das Staunen groß. Im Zuge dessen befreit ihr euren Drachen, mit dem ihr vom Flugschiff flüchtet. Anschließend gibt es im Shoot ’Em Up-Style eine Luftschlacht hoch oben zwischen den Wolken. Grafisch schön gezeichnet, technisch eher unspektakulär. Das Gameplay kann hier auch nicht mit reinen Shoot ’Em Up-Spielen mithalten.

Nach dem Sieg über einen mechanischen Drachen geht es ab in das Schloss im Himmel. Der Turm eures Widersachers muss gestürmt werden, bis ihr ihm endlich gegenübersteht. Ein erbitterter Kampf entflammt, der es in sich hat. Der letzte große Endgegner kommt gleich in Gestalt mehrerer Formen daher. Habt ihr diesen Kampf gewonnen, beginnt ein schönes Extro, das eines der zwei Enden erzählt.

Technisch gibt es noch einen netten Echtzeit-Zoom-Effekt und eine 3D-scrollende Landschaft, die einfach nur unglaublich aussieht. Die ewig langen Credits werden unterlegt von einem weiteren epischen Stück Soundtrack. Was für ein Sound! Ich liebe diesen Track. Beim Anschauen wird euch klar, Lionheart ist anders, epischer, und es hat einen vernünftigen storybedingten Ablauf, was man nur selten bei Actionspielen sieht. Das Ende erzeugt nach all den Strapazen, die man im Spiel durchlebt hat, eine Gänsehaut.

Shoot em up

Das hört sich alles unglaublich genial an. Und gewissermaßen ist es das auch, aber es gibt auch in Lionheart einige Haken, die das gesamte Spiel beeinträchtigen. Die gewaltige Grafikpracht hat auch seine Nachteile. Sonderlich viel ist nicht auf dem Screen los. Nur wenige Gegner tummeln sich gleichzeitig auf dem Bildschirm. Allgemein kommt das Gameplay auch recht gemächlich und wenig hektisch daher. Das muss nicht schlecht sein, es ist aber technisch bedingt. Auch ist Valdyns Schwert viel zu kurz, man muss den Gegnern schon sehr auf die Pelle rücken, um sie damit abzuwehren. Auch dieser Punkt ist technisch verursacht worden. Man nutzte die Hardware Sprites dafür, und diese sind leider nur 16 Pixel breit. Daraus ergibt sich dann auch die Schwertlänge. Das ist schlichtweg der Grund, warum es nicht anders ging. Diese Sache wurde an Lionheart wohl am meisten bemängelt. Und es ist leider wirklich ein Kritikpunkt, der sich logischerweise durch das gesamte Spiel zieht. Kommt man damit jedoch klar – und das wird man –, hat man trotzdem ein gut spielbares Spiel.

Ein weiterer Minuspunkt ist der Umfang des Spiels. Der ist zwar durchschnittlich, aber man muss das gesamte Spiel in einem Rutsch durchspielen. Es gibt keine Codes für erledigte Level oder eine Save Option. Das war damals zwar gang und gäbe, hätte dem Spiel aber sehr gutgetan. So benötigt man ordentlich Zeit und einen guten Tag, um es wirklich ohne Cheat zu schaffen.

Kritik hin oder her, die Jungs haben hier etwas Unglaubliches geleistet und richtig Herzblut in die Sache gesteckt. Es wirkt wie ein Abschiedsgeschenk an den Amiga und ein Denkmal daran, was diese Hardware zu leisten vermag. Und so war es dann auch. Was den finanziellen Erfolg von Lionheart angeht, gibt es geteilte Aussagen: Von, „es lohnte sich einigermaßen gut“, bis zu, „nicht einmal die Entwicklungskosten kamen rein“, ist alles dabei. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Ich vermute, dass die relativ geringen Entwicklungskosten eingespielt wurden.

Ein größerer Erfolg war das Spiel aber ganz sicher nicht. Das liegt zum einen an der Kopiermentalität von damals, aber auch am misslungenen Marketing. Die Big Box war schon sehr gewagt und nicht sonderlich aussagekräftig. Es war auch nach Weihnachten, und abgesehen davon kündigte sich das Ende des Amigas bereits an.

Umsetzungen für andere Systeme gab es ebenfalls nicht, da Thalion mit Konsolen keine Erfahrung hatte. So blieb es ein Amiga-Exklusivspiel. Somit war Lionheart eines der letzten Spiele für den Amiga von Thalion.

Und nicht nur das, durch die Streitigkeiten zu Weihnachten – wir erinnern uns, Willi wollte, dass durchgearbeitet wird –, verabschiedeten sich Henk und Erwin von Thalion und wurden freudig empfangen bei Psygnosis. Davor wurden sich noch einmal ordentlich vom Boss zusammengefaltet, was ihre Entscheidung nur noch stärkte. Diese Zeit war so belastend, dass Henk sogar überlegte, die Gaming-Branche komplett zu verlassen. Zum Glück tat er es nicht und beschert uns bis heute unglaublich schöne und grafisch faszinierende Spiele.

Lionheart ist das Aushängeschild für den Amiga. Hier wurde gezeigt, was die Kiste drauf hat. Und auch in Sachen Gameplay setzte man ein Zeichen, trotz gewisser Mängel. Die Jungs können mehr als Stolz sein, dass sie hier ein riesiges Stück Geschichte geschrieben haben. Danke dafür an alle, die an Lionheart beteiligt waren.

Studio Thalion Software[1]
Publisher Thalion Software
Veröffentlichung 1993
Plattform Amiga
Genre Jump’n’Run Action
Spielmodus Singleplayer
Medium Disketten
Sprache Englisch

 

Wertung:  4 von 5 Sternen.

Bericht: Martin Becker  (Pittrock)