Mag+ Interview mit Matthias Steinwachs

Extended Version Interview Matthias Steinwachs
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Matthias Steinwachs war zuständig für den grandiosen Soundtrack von Lionheart. Er hat für unzählige weitere Spiele die Musik komponiert und ist so zu einer der bekannteren Soundgötter der Amiga-Geschichte geworden. Seinen unverwechselbaren Musikstil erkennt man gleich.

Wir plaudern etwas über die Zeit von damals und erinnern uns an die alten Tage.

AGF:

Hallo Matthias, gleich zu Beginn die übliche Frage: Wie kamst du zur Musik und speziell zur Musik am Computer? Womit hast du deine ersten Videospielerfahrungen gemacht?

 

Matthias:

Der Reihe nach. J Zur Musik kam ich – wie viele andere auch – durch meine Eltern. Anfangs war es der übliche „Leidensweg“ aus musikalischer Früherziehung an der Jugendmusikschule (mit 5 Jahren), danach ein Jahr Flötenunterricht (gruselig) und anschließend dann Klavierunterricht. Zum Glück wechselte ich da recht schnell zu einem coolen Lehrer. Der war a) Organist in unserer Gemeinde, sodass ich jederzeit an die 250 Jahre alte Orgel durfte und b) 12-Ton-Komponist und Jazzer, was mir schon früh neue musikalische Horizonte geöffnet hat. Bei dem habe ich viel Jazz gelernt und daher dann mit 14 auch in einer Jazzband gespielt. Später dann auch in Punk-, Funk-, Pop- und Heavy Metal-Bands. Bis auf Western habe ich da glaube ich nix ausgelassen. Außerdem hatte ich noch ein paar Jahre klassischen Gesangsunterricht, weil ich eigentlich Gesang studieren wollte. Ich habe mich dann aber erst für Schulmusik und später für Musikwissenschaften entschieden, wo ich sehr viel zu Komposition, Tonsatz, Musiktheorie und Gehörbildung gelernt habe, was mir dann später in meinem Job als Spielemusiker sehr geholfen hat. Ist schon von Vorteil, wenn man die musikalische Grammatik kennt und Noten lesen kann (kleiner Seitenhieb auf einen Kollegen, der stets stolz verkündet, er könne keine Noten lesen J).

 

Als ich dann 1984 für zehn Jahre nach Berlin gezogen bin (wegen Studium und Job), war Schluss mit Bühne und Bands. Damals habe ich dann auch mein Fender Rhodes E-Piano verkauft, ein Fehler, den ich heute noch bereue. Wenn also jemand eines übrig hat. …

 

Da musste dann der Amiga zum Musik machen herhalten, um nicht ganz rauszukommen. Eigentlich nur just for fun. Ein Kumpel von mir war in der Amiga-Demoszene (als Fred Feinbein, hi Matze) und hat das Zeug ab und zu mal gespreadet. Der war dann 1990 auch auf der CeBIT in Hannover und ist da zufällig mit Holger Gehrmann von reLINE ins Gespräch gekommen. Der suchte gerade einen Musiker für das Amiga Game Window Wizard. Matze gab ihm meine Demos, Holger fand sie gut, und ich hatte den Job. Das war damals alles etwas unkomplizierter. So bin ich dann auf die schiefe Bahn geraten J

 

AGF:

Wie kamst du zu Thalion und speziell zu Lionheart?

 

Matthias:

Ich hatte für reLINE zwei, drei Games gemacht und Spaß an der Sache bekommen. Also hatte ich mich dann anfangs bei einigen anderen Firmen beworben. Ich hatte da so was Bescheidenes geschrieben, wie: „Ich weiß, Sie haben schon einen Musiker, schmeißen Sie ihn raus, ich bin besser.“ Hat erstaunlich oft funktioniert. J Erst kam Kingsoft hinzu, die dann später mit Ikarion ein eigenes Entwicklerstudio aufmachten, für die ich auch sehr viel gemacht hatte, dann direkt Thalion. Dort hatte gerade der Jochen Hippel aufgehört, wo ich dann schnell bis zum Ende von Thalion zum Hausmusiker wurde. Los ging es mit Neuronics, dann kam der Airbus A320, No Second Prize, dann die PC-Konvertierung von Amberstar (da hatte Jochen ja den tollen Amiga- und den Atari-Soundtrack gemacht), und dann kamen schon Lionheart und Ambermoon, an denen ich gleichzeitig gearbeitet hatte. (Während ich das hier schreibe, schiele ich immer wieder auf meine Webseite, damit ich das alles in der richtigen Reihenfolge habe und nichts vergesse – ist ja echt schon so lange her)

 

AGF:

Wie waren die technischen Voraussetzungen? Wie groß durfte einer der Tracks maximal sein? Wie schwer war es, das einzuhalten?

 

Matthias:

Ich habe damals ja jeden Auftrag (die fast immer telefonisch kamen) in einen von mir entworfenen Vordruck eingetragen, um da nichts durcheinanderzubringen. Und die Dinger habe ich tatsächlich vor ein paar Monaten beim Aufräumen im Keller in einem Ordner gefunden. Daher kann ich ganz genau sagen, wie die (anfänglichen) technischen Vorgaben waren. Bei Lionheart hatte ich mir notiert: „100K pro Level mit Effekten. vierstimmig, eine Spur zum Ausblenden für Effekte. Filmmusik-Atmo, rhythmisch betont. Und bei Ambermoon (das anfangs noch den Projektnamen Amberstar 2 hatte) etwa zwanzig Stücke, zwei bis drei Minuten, 40 bis 50K. Mehr Vorgaben gab es da nicht. Die Zahl der Stücke ist bei Ambermoon dann kontinuierlich gewachsen. Am Ende waren es glaube ich 35, während der zur Verfügung stehende Speicherplatz pro Song im gleichen Maße abgenommen hatte. Normal. Damals kam erst der Programmcode, dann die Grafik und was noch übrig war, war für die Musik.

 

Mit dem Soundtracker/ProTracker war das nicht mehr einzuhalten, die Samples allein hätten schon den ganzen Speicher aufgefressen. Deshalb bin ich auf den Sonic Arranger gewechselt (ja, den habe ich mir damals auch gekauft, die Diskette habe ich heute noch). Mit dem konnte man synthetische Stimmen basteln, die nur wenige Bytes groß waren. Und wenn dann noch Platz übrig war, habe ich noch zwei bis drei Samples eingebaut. Das war recht unproblematisch. Es kam zwar ab und zu die Ansage „klingt klasse, ist aber noch zu groß, mach mal was kleiner“, aber das war alles machbar. Die Ergebnisse klangen dann ja auch ganz ordentlich für ihre geringe Größe.

 

Ich habe gerade noch mal geschaut: Die Lionheart-Songs im Sonic Arranger-Format sind zwischen 50 und 100K groß, die Ambermoon-Sachen (wo ich mehr auf die synthetischen Sounds gesetzt hatte) zwischen 7 und 50K. Das würde heute nicht mal für eine Triangel reichen.

 

AGF:

Was hat man in der Regel an so einem Projekt verdient? Wie lange warst du damit beschäftigt?

 

Matthias:

Das war damals ganz unterschiedlich. Ich habe da auch nie verhandelt, sondern immer gesagt: „Zahlt, was ihr könnt und was es euch wert ist.“

Kleine Publisher wie Lionel (Schweiz) haben dann vielleicht 1.500 DM für ein ganzes Projekt gezahlt, größere wie Psygnosis (mit Sony im Rücken) auch schon mal locker das Fünffache oder mehr. Für Ambermoon waren anfangs beispielsweise 3.500 DM vereinbart, später hat Thalion noch einmal 1.500 DM draufgelegt. Klingt vielleicht erst einmal viel. Wenn du allerdings überlegst, dass ich dafür 35 Tracks gemacht habe, plus kistenweise FX, dass ich viele Tracks auch mehrfach überarbeitet und am Ende länger an den hunderten von Effekten gesessen habe („Feuerspeiender Drache zieht Karre mit Holzrädern durch Schlamm“ – bitte nicht größer als 20 Bytes 😉 ) als an der Musik, und dass ich das alles auch noch versteuern musste, dann relativiert sich das ganz schnell wieder. Von dem Geld musste ich ja dann auch meinen Kram selbst kaufen. Mit Lionheart und Ambermoon war ich dann auch gut neun Monate beschäftigt. Da ich damals aber immer mehrere Projekte gleichzeitig in Arbeit hatte, war das am Ende schon ok. Und ich habe es ja auch nicht wegen der Kohle gemacht, sondern weil es mir einen Riesenspaß gemacht hat. Dass es dafür dann auch noch Geld gab, war nur die Sahne auf dem Eis. Ich hätte das vermutlich auch für lau gemacht – ich hatte ja noch ein paar andere Jobs.

AGF:

Wie liefen die Kommunikation und der Austausch der fertigen Tracks während des Projekts ab? In der Regel warst du ja nicht vor Ort, sondern hast daheim komponiert. Welche Probleme ergaben sich dadurch?

 

Matthias:

Richtig, vor Ort war ich selten. Ging ja auch gar nicht, ich hatte ja in Berlin mein Studium (na ja, mehr oder weniger), drei andere Jobs (Radio, Klavierlehrer und Frühbetreuung an einer Grundschule in Kreuzberg), plus Frau und Kind. Und hatte außerdem auch für Publisher in England, Frankreich, Schweiz und so gearbeitet. Das musste alles zu Hause passieren. In den ersten Jahren – also auch bei Thalion – war da nichts mit „Files eben mal per Internet rüberschicken“. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhen und die Übertragungsraten per Modem waren unterirdisch. Also wurden Disketten hin und her geschickt, dazu wurde viel telefoniert. Alles passierte also mit einer Verzögerung von zwei bis drei Tagen, je nachdem, wie schnell die Post war. „Mach mal eben“ ging also nicht, jede Neuerung brauchte gut eine Woche. Fanden wir damals aber normal, wir kannten das ja nicht anders.

 

AGF:

Wie war der Kontakt zwischen den anderen Team-Mitgliedern? Habt ihr viel ausgetauscht und über das Spiel und die Fortschritte gesprochen, oder warst du mehr der stille Auftragserlediger?

 

Matthias:

Wir haben schon oft telefoniert. Auch für Telefonate hatte ich einen Vordruck für mich (genau wie fürs Porto, um das später abrechnen zu können), um mir Notizen zu machen – gab ja auch kein WhatsApp oder SMS, um mal eben nachzufragen. Da war es wichtig, sich die Sachen besser aufzuschreiben. Und einige dieser Zettel habe ich auch noch. Schon irre, was man alles so aufhebt. Kleiner Ausschnitt gefällig?

 

11.12. (09.15 Uhr) – Erik – Frage zur Liste

11.12. (13.00 Uhr) – Erwin – Probleme mit FX, Wasser als Geheimlevel

12.12. (13.30 Uhr) – Jurie/Erwin – nur so

13.12. (13.00 Uhr) – Erwin – FX

13.12. (17.00 Uhr) – Erwin – FX

14.12. (10.30 Uhr) – Erwin – FX

14.12. (13.30 Uhr) – Erwin – FX

15.12. (10.40 Uhr) – Erwin – Reittier-Musik falsch, neue einbauen

17.12. (11.00 Uhr) – Erwin – Problem mit Sumpf FX

 

Und so ging das jeden Tag. Drei bis vier Anrufe und eine Stunde am Telefon waren da die Regel. Wir waren also im ständigen Austausch. „Thanks for supporting me with long phonecalls“, schrieb Erwin dann später im Abspann von Lionheart. Gut, dass es in Berlin keinen Minutentakt gab, jedes Gespräch kostete 20 Pfennig, egal wie lange und wohin, das war schon praktisch. Zwei bis drei Mal war ich aber auch in Gütersloh vor Ort.

 

AGF:

Du warst zwar wenig vor Ort, hattest aber trotzdem Einblicke in die Umstände, unter welchen die anderen entwickelten. Kannst du uns was daraus erzählen, wie es dort ablief?

 

Matthias:

Dass Erwin und Jurie da zeitweise in den Räumen von Thalion wohnten, ist ja inzwischen bekannt. Ich habe mich mit allen da immer wunderbar verstanden, da gab es nie Streit oder ein böses Wort. Erik (Simon) war da ein toller Projektleiter, der zwar die Zügel fest in der Hand hatte, aber auch so was wie die „Mutter der Kompanie“ war. Auch wenn ich mal da war, war da in meinen Augen immer eine sehr freundschaftliche Atmosphäre. Ob da nun mal hinter den Kulissen die Fetzen geflogen sind, weiß ich nicht. Aber das ist ja normal, wenn du mit so einem kleinen Team unter Zeitdruck zwei so große Projekte gleichzeitig entwickelst und Tag und Nacht zusammenhockst, da ist dann schon mal Druck auf dem Kessel. Das Büro von Thalion war ja auch nicht sonderlich groß, wenn ich mich recht erinnere, eher wie eine Wohnung. Kein Vergleich zu Blue Byte (für die ich später mal gearbeitet hatte), die ein ganzes Haus mit mehreren Etagen hatten.

 

AGF:

Wie erklärst du es dir, dass ausgerechnet diese Jungs das wohl technisch unglaublichste Amiga-Spiel auf die Beine gestellt haben? Waren die Programmierer einfach so viel besser als die anderen, oder war es einfach nur eine verdammt gute Teamarbeit?

 

Matthias:

Da kam vermutlich alles zusammen. Ein gutes, eingespieltes Team, gute Programmierer und einfach der Wille, etwas Einmaliges zu schaffen und nicht den hundertsten Aufguss von irgendwas. Anfang der 90er hattest du ja auch viele Freiheiten, konntest rumprobieren, ohne dass dir das Marketing da reinquatschte (wie ich es später öfter mal erlebt habe) und komplette Konzepte wieder einstampfte, aus Angst vor schlechten Verkaufszahlen. Schau dir die Games doch heute mal an, von Ubisoft, Electronic Arts usw. Da werden einmal erfolgreiche Konzepte gemolken, bis die Kuh tot ist. Sachen wie Lionheart oder Ambermoon könntest du heute gar nicht mehr machen. Daher: Wir haben wohl auch den richtigen Zeitpunkt erwischt.

 

AGF:

Warst du auf den einschlägigen Messen dabei, auf welchen das Spiel gezeigt wurde? Wie waren die Reaktionen der Besucher?

 

Matthias:

Ich war Ende 1993 einmal auf der World of Amiga in Köln, ich glaube mit Ikarion – Thalion war da ja schon Geschichte. Das wäre aber sicher interessant gewesen. Der größenwahnsinnige Willi Carmincke hatte ja zur Präsentation des A320-Games irgendwo sogar mal einen kompletten Flugsimulator mit beweglichem Cockpit aufgefahren.

 

Das mit den Messen ging bei mir erst viel später los, mit der Gamescom in Leipzig. Da war ich dann aber auch nicht für Publisher im Einsatz, sondern für meine Radiosender (damals 1Live, MDR Sputnik, HR XXL/YouFm und so). Ich habe da auch zeitweise die
ARD-Sammlung gemacht für alle ARD-Sender. Spielemessen also dann nur noch als Journalist, nicht als Musiker. Wobei, einmal wurde auf dem Eröffnungskonzert der Gamescom im Gewandhaus in Leipzig auch ein Amiga Medley gespielt, unter anderem mit ein paar Takten aus Lionheart. Da war ich dann mal als Musiker eingeladen. Da hatte ich mir gedacht, jetzt wird deine Musik tatsächlich mal im altehrwürdigen Gewandhaus von einem Orchester gespielt. Das ist ja schon ziemlich cool! War auf jeden Fall mal was, um endlich auch mal meine Eltern zu beeindrucken, die ansonsten ja den ganzen „Computerkram“ für eine brot- und kulturlose Kunst hielten.

 

AGF:

Hast du irgendeine besondere Story oder Anekdote aus der Entwicklungszeit von Lionheart, etwas Verrücktes, Lustiges oder einfach Erzählenswertes?

 

Matthias:

Hm – sorry, nee, eigentlich nicht. Ist alles zu lange her, und ausgerechnet dazu habe ich mir keine Notizen gemacht. Vielleicht, dass Valdyn, der Held aus Lionheart, verblüffend große Ähnlichkeit mit dem Grafiker Henk Nieborg hatte, der sich damit im Spiel wohl selbst verewigt hat (auch wenn er das immer abstritt). Dass Erik den Erwin zeitweise am liebsten erwürgt hätte, weil der mit Falsettstimme gerne laut und falsch (und immer dasselbe) sang, ist inzwischen ja schon mehrfach nachzulesen gewesen. Aber sonst – zu lange her.

 

AGF:

Du hast einen der bekanntesten Extro-Texte der Amiga-Szene geschrieben: „Möge all denen, die dieses Game kopiert haben, der Amiga unter den Händen verfaulen“. Dieser Text kommt am Ende von Lionheart vor. Wie kam es dazu? Und hättest du gedacht, dass diese Zeile so viel Aufsehen erregen würde? Hat sich Lionheart letztlich gelohnt, oder war es ein finanzieller Flop? Die Aussagen gehen dabei etwas auseinander.

 

Matthias:

Hat sie Aufsehen erregt? Wusste ich gar nicht. Irgendjemand sagte damals kurz vor Abschluss des Projekts: „Ihr könnt noch was in den Abspann schreiben, egal was“. Wenn ich mich recht erinnere, schrieb Erwin unter anderem: „Hallo Mutti“, Erik bedankte sich bei mir mit: „For not being as lazy as certain other sound programmers.“ Und ich hängte an meine Oscar-Rede dann eben noch diesen Satz an, ohne mir groß Gedanken zu machen. Wir hatten da halt verdammt viel Arbeit und Herzblut reingesteckt und zuvor auch groß angekündigt, dass das unser letztes Amiga-Game sei, wenn das wieder nur kopiert wird (es hatte ja extra keinen Kopierschutz). Daher also noch mal meine „Ermahnung“. Wer heute also einen verfaulten Amiga zu Hause hat, der weiß, warum – das waren meine
Voodoo-Kräfte. J Das hatte ich aber schon längst wieder vergessen. Erst vor einigen Monaten machte mich jemand wieder darauf aufmerksam.

 

Ob sich Lionheart gelohnt hat? Kann ich nicht sagen. Das Finanzielle hatten Willi und Erik im Blick. Sicher ist nur, dass das die letzten Games von Thalion waren. Wenig später wurde der Laden zugemacht, weil wohl kein Geld mehr da war. Ob das aber nun an Lionheart lag, oder ob es da Probleme mit den Geldgebern gegeben hat, kann ich nicht sagen. Hinter Thalion stand ja glaube ich Ariolasoft, die später zu United Software wurden.

AGF:

Was bedeutet dir dieses Spiel heute noch? Und wie siehst du die Zeit von damals aus heutiger Sicht?

 

Matthias:

Nach meinen letzten Projekten für den Amiga hatte ich den ganzen Krempel – Amigas, Disketten, die Games – in große Kisten gepackt und im Keller eingemottet und vergessen. Nicht nur die Sachen von Thalion, später dann auch all die anderen Games, für die ich mal die Mucke gemacht hatte. Das lag lange Jahre in Umzugskartons im Keller. Und ich hatte da auch nicht mehr groß drüber nachgedacht und auch die ganzen Musiken nicht mehr gehört.  Ab und zu schrieb mich mal jemand an: „Hast du nicht die Musik für Lionheart und Ambermoon gemacht?“ Und ich hatte mich dann immer gewundert, dass sich daran überhaupt noch jemand erinnert. Da habe ich dann eigentlich erst gemerkt, dass diese Games schon ‘ne große Nummer gewesen sein müssen.

 

Dass ich das alles wieder rausgekramt habe, ging eigentlich erst los, als ich mir eine zweite Webseite angelegt hatte (gamecheck.guru) und da begonnen hatte, all den alten Sachen ein eigenes Kapitel zu gönnen, um die zu füllen. Da habe ich dann alte Festplatten und so durchforstet und die ganzen Projekte wieder online gestellt, auch in der SoundCloud (https://soundcloud.com/audiotexturat). Und dabei auch wieder Spaß an den alten Tracks bekommen und gedacht, dass die ja eigentlich gar nicht so schlecht waren.

 

Die Zeit bei Thalion war aber schon was ganz Besonderes. Das war so eine Aufbruchstimmung damals, fast alles war erlaubt, wir konnten uns kreativ austoben. Dazu der tolle Teamgeist, und dass am Ende auch noch gute Sachen dabei rausgekommen sind, an die sich der ein oder andere noch erinnert, ist natürlich auch schön. Insofern denke ich da immer gerne daran zurück. Ich habe später ja noch in vielen anderen tollen Teams gearbeitet: Ikarion (für die ich, glaube ich, mehr als zehn Games gemacht hatte), Funatics (Cultures und Zanzarah), Psygnosis (Flink für Amiga CD32 und Megadrive – ist bis heute mit Lieblings-Soundtrack und auch mein bester, finde ich. Und war mein letztes Game für den Amiga) und viele andere mehr. Aber so wie bei Thalion war es eigentlich nie wieder. Auch, weil die Zeiten sich geändert hatten, die Games-Industrie wurde professioneller, der Druck größer.

 

AGF:

Du verpasst dem Soundtrack von Lionheart ja gerade einen neuen Anstrich. Die Tracks werden orchestraler und technisch auf den aktuellen Stand gebracht. Sind sie jetzt so, wie du dir das damals vorgestellt hattest? Was hast du damit vor, wird es vielleicht eine neue Soundtrack-CD geben?

 

Matthias:

Ja, nicht nur Lionheart, sondern allen Thalion-Soundtracks. Die Idee dahinter war, dass ich damals ja einen orchestralen Klang im Kopf hatte, den aber aus technischen Gründen nicht so umsetzen konnte, wie ich mir das damals vorgestellt hatte. Eriks Vorgabe war ja auch immer „Filmmusik“ (bzw., „soll klingen wie Pink Floyd“ – O-Ton Willi zum Airbus A320), aber mit 100 KB kommt man damit nicht so weit. Da wollte ich einfach mal schauen, ob ich das heute – mit den heutigen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen – besser hinbekomme. Ich bin da schon ganz zufrieden, aber perfekt sind die noch lange nicht. Leider komme ich auch nur in meiner Freizeit dazu, sodass es vermutlich noch eine ganze Weile dauern wird, bis ich damit fertig sein werde. Wenn ich es überhaupt jemals schaffe. Und Flink wollte ich ja eigentlich auch noch machen. Aber ich bleibe dran. Und vielleicht wird daraus dann auch mal eine CD, falls sich genug Leute finden, die sich für die alten Dinger noch interessieren. Wobei ich ja Vinyl noch schöner finde. Na, mal schauen. Die bisherigen Tracks gibt’s übrigens hier: https://soundcloud.com/audiotexturat/sets/work-in-progress

 

AGF:

Was machst du heute beruflich?

 

Matthias:

Immer noch ein bisschen Radio (für SWR3), aber lange nicht mehr so viel wie früher. Nach dreißig Jahren nutzt sich das schon etwas ab. Dann betreue ich zwei Kurse an einer
Online-Akademie (Radio-Journalismus und Musik für Games bei Audiocation), schreibe viel für die Musikerplattform amazona.de, wo ich seit vielen Jahren Studio-Hard- und Software teste. Ich bin Texter (und hier und da auch Pressesprecher) für einige Unternehmen (Pressemeldungen, Newsletter, Podcasts etc.) und arbeite auch noch als Sprecher (Werbung, Videos). Da bleibt dann nicht mehr so viel Zeit für die Musik, wie ich es mir wünschen würde.

 

AGF:

OK, das war’s. Danke für das Interview. Es war uns eine Ehre!

 

Matthias:

Danke auch. Hat Spaß gemacht, wieder mal in den Erinnerungen zu kramen.